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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde
Autoren: Di Morrissey
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Einst hatte sie Susan lachend anvertraut, das Geheimnis einer gelungenen Dinnerparty bestehe darin, die Gäste nach einer Art Verdienstskala einzuladen: Man musste etwas zu sagen haben, zuhören können, witzig und einfühlsam sein. Dabei ging es nicht darum, Konflikte, Meinungsverschiedenheiten oder angeregte Diskussionen zu vermeiden, doch die Gemüter blieben unter Kontrolle, man vermied Beleidigungen, und die Meinungen tendierten selten zu weit nach links.
    Susan trat an den Tisch und zog ihren Stuhl hervor. Andrew Frazers Hand legte sich auf ihre. »Ähm, ähm. Das ist mein Job.« Er lächelte, als sie sich setzte, und schob ihren Stuhl zurecht, bevor er ihr gegenüber Platz nahm.
    Susan wurde den Männern rechts und links von ihr vorgestellt, dem hochangesehenen Kronanwalt Alistair MacKenzie und dem ehemaligen Richter Michael Francis Duffy. Mick Duffy, wie dieser von seinen Kollegen genannt wurde, bewunderte das Etikett des Margaret-River-Chardonnays Jahrgang 1995 , den Boris auf den Tisch gestellt hatte.
    »Der Westen wird ja mächtig schick«, sagte er und blickte mit hochgezogener Braue in Andrews Richtung. »Ein bisschen anders als zu meiner Zeit. Ich habe ein paar Jahre als
jackaroo,
als Outback-Cowboy, dort verbracht, bevor ich auf die juristische Fakultät ging.«
    »Wo denn genau, Richter Duffy?«
    »In der Nähe von Geraldton. Hab immer behauptet, ich würde einst zurückkehren und dort am Gericht arbeiten. Hab ich aber nie gemacht. Schade. Ich hätte die Herausforderung genossen. Ich dachte, ich würde mal versuchen, der kleinkarierten Scheuklappendenkweise des Westens eine andere Perspektive zu verleihen. Und woher kommen Sie? Vom Land, oder sind Sie einer dieser Unternehmer aus Perth?« Er zog die zweite Braue in die Höhe.
    »Ich dachte, die wären alle im Gefängnis oder geflüchtet«, murmelte Alistair MacKenzie an Susans linker Seite.
    Andrew grinste. »Vom Land. Wir leben in Yandoo, in der Kimberley.«
    »Ah, ein König in einer Grasfeste?«, scherzte Susan.
    »Im Augenblick nur ein Prinz«, korrigierte Veronica.
    »Gute Lektüre, das Buch von Mary Durack«, schaltete sich MacKenzie ein, der an das patriotische Vergnügen dachte, das ihm die Familiensaga
Kings in Grass Castles
während eines Jahre zurückliegenden Urlaubs bereitet hatte. »Trifft die Pionierarbeit im Outback wie nichts anderes, was ich gelesen habe. Kennen Sie die Duracks?«
    »Mein Vater und Großvater kannten sie gut. Sie sind eine solche Legende dort oben im Nordwesten, dass wir alle das Gefühl haben, sie zu kennen«, erwiderte Andrew.
    Richter Duffy nippte an seinem Wein, dann fing er Andrews Blick auf. »Im Laufe der Jahre pflegten die Duracks ein interessantes Verhältnis zu den Aborigines. Sehr paternalistisch, wenn ich mich recht erinnere. Wie sieht’s denn auf Ihrer Farm aus?«
    Andrew fühlte sich ein wenig unbehaglich, überrascht über die Richtung des Gesprächs. Doch er fing sich rasch wieder. »So wie überall anders auch, vermute ich«, sagte er mit einem unverbindlichen Achselzucken. »Gänzlich anders als in alten Tagen.«
    »Es hat sich in der Tat etwas verändert«, sagte der Richter, der nicht vom Thema abließ. »Haben die dortigen Aborigines nicht Anspruch auf Land geltend gemacht, das zu Ihrer Station gehört?«
    »Es handelt sich um ein
pastoral lease,
vom Staat gepachtetes Land, das wir Pastoralisten bewirtschaften«, sagte Andrew, der wünschte, jemand würde das Thema wechseln.
    »Heilige Stätten?«
    »Nach Ansicht der Aborigines ist heutzutage offenbar alles heilig«, sagte Andrew mit kaum verhohlener Schärfe in der Stimme.
    »Ja, so scheint es wohl«, pflichtete MacKenzie bei. »Sagen Sie, wie lange ist Ihre Familie schon dort oben?«
    »Mein Urgroßvater hat Yandoo gegründet. Wir waren die Siedler im Kielwasser der Duracks«, erklärte Andrew. »Wir betreiben Viehwirtschaft, doch seit einigen Jahren sind wir breiter gefächert, dank des Ord-River-Bewässerungsgebiets und der neuen Märkte für Kulturpflanzen. Die Pastoralisten müssen mit der Zeit gehen, oder sie gehen unter.«
    Veronica räumte die Antipasti-Platten ab. »Wie geht es deinem Bruder?«
    »Julian hat sich eine gutgehende Tierarztpraxis in Kununurra aufgebaut und fliegt per Hubschrauber durchs Land. Das gefällt ihm. Er kommt so oft wie möglich nach Hause und trägt seinen Teil zu Yandoo bei. Tierärzte kosten eine Menge, da ist es praktisch, einen in der Familie zu haben. Er träumt davon, eines Tages ein eigenes Flugzeug zu
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