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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hässlicher Reptilienkopf erschien unter der Tür und zerschmetterte die hölzernen Flügel. Wieder bebte das Gebäude.
    Was dann kam, geschah in Sekunden, aber ich sah jede winzige Einzelheit mit nahezu übernatürlicher Klarheit. Die Kirche erzitterte wie unter einem Hieb. Der Glockenturm bebte, neigte sich mit einem hörbaren Knirschen zur Seite und begann auseinanderzubrechen. Die tonnenschwere Glocke löste sich aus ihrer Verankerung und begann zu stürzen.
    Sie traf den Schädel der Bestie wie ein gigantischer Hammer und zerschmetterte ihn.
     
    Mitternacht war vorüber, als wir Howards Haus wieder erreichten. Ich war müde, so müde, wie niemals zuvor in meinem Leben, und meine Beine schienen kaum noch in der Lage, das Gewicht meines Körpers zu tragen.
    Trotzdem ging ich noch nicht ins Haus, sondern blieb auf der dunklen, von Kälte und Nebel erfüllten Straße stehen, bis der Wagen in der Nacht verschwunden war.
    Ich weiß nicht mehr, was ich in diesem Augenblick fühlte; ich glaube, es war nichts als eine große, schmerzhafte Leere. Das Gefühl, etwas verloren zu haben, das ich nicht einmal richtig besessen hatte. Als Howard und Rowlf Priscylla – die noch immer bewusstlos war – in Grays Wagen gelegt hatten, war etwas in mir zerbrochen.
    Ich sah auf, als ich Howards Schritte hinter mir hörte. Sein Blick war ernst.
    »Keine Sorge, mein Junge«, sagte er. »Dr. Gray wird sich um sie kümmern.«
    Ich antwortete nicht, und der besorgte Ausdruck in Howards Blick wurde stärker. »Ich kann es dir nicht versprechen«, sagte er, »aber vielleicht – nur vielleicht – wirst du Priscylla eines Tages wiedersehen.«
    »Wo bringt er sie hin?«, fragte ich.
    »Zu einem Ort, an dem sie sicher ist«, antwortete Howard nach kurzem Zögern. »In eine Klinik. Man wird sich dort gut um sie kümmern. Priscylla ist krank, Robert. Sehr krank.«
    »Eine Klinik.« Ich lachte bitter. Etwas schien sich in mir zusammenzuziehen: schnell, ruckartig und sehr schmerzhaft. Seine Worte klangen wie böser Hohn in meinen Ohren. »Ein Irrenhaus, meinst du.«
    Diesmal antwortete Howard nicht mehr. Nach einer Weile wandte er sich um und deutete auf die offen stehende Tür. Gelblicher Lichtschein fiel aus dem Haus und zeichnete ein verschwommenes Dreieck aus Helligkeit auf das Pflaster. »Komm«, sagte er. »Lass uns gehen. Wir müssen unser weiteres Vorgehen besprechen. Diesmal haben wir noch Glück gehabt, aber das muss nicht immer so sein.«
    Glück?, dachte ich. Für einen Moment sah ich die Kirche noch einmal vor mir. Es war keine sehr große Kirche gewesen, aber der Turm war ihr stabilster Teil. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass von allen Teilen des Gebäudes ausgerechnet die Glockenhalterung – der sicher am besten und stabilsten gemauerte Bestandteil der ganzen Kirche – als erster unter dem Ansturm des Ungeheuers nachgegeben haben sollte.
    Nein, dachte ich. Das hatte nichts mit Glück zu tun gehabt.
    Ich wandte mich um, und für einen Moment glaubte ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine schwarze, hochgewachsene Gestalt zu sehen, eigentlich nur den Schatten einer Gestalt. Ein Schatten mit dunklen Augen, einem messerscharf ausrasierten Bart und einer wie ein Blitz gezackten Strähne schlohweißen Haares über der rechten Braue. Dann verschwand die Vision, so schnell, wie sie gekommen war.
    Aber als ich Howard ins Haus folgte, war ich plötzlich absolut sicher, dass es kein Zufall gewesen war.

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