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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier
Autoren: Michael Joseph
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sah ihn entgeistert an.
    » Nicht wir. Ich. Ich gehe nach Amerika. Ich brauche Abstand. Zu allem. Zu dir. « Manuela sah ihn an. Dann drehte sie sich um, weil er nicht die Tränen sehen sollte, die ihr in die Augen stiegen. Sie legte den Unterarm an den Baum, an dem sie gelehnt hatte, blickte nach unten auf ihre Füße, die in bunten Söckchen und Sandalen steckten.
    » Ich möchte nicht mehr mit dir zusammen sein « , sagte sie.
    Der Schlag traf sie hart und präzise. Der Körper hatte keine Zeit mehr, die Empfindung von Schmerz in Manuelas Bewusstsein zu schicken. Sie fiel zur Seite und blieb auf dem Rücken liegen, ihr linker Arm halb unter dem Körper, der rechte hatte im Fallen noch eine ausladende Geste gemacht, die die gesamte Umgebung, auch ihn, einschloss, ein letzter Segen. Ihre starr gewordenen Augen blickten durch die Baumkronen hindurch in den Himmel. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck der Gleichgültigkeit, der Gelassenheit. Blut sickerte durch ihre dichten dunklen Haare auf den Boden.
    Er blickte auf die am Boden Liegende herab. Erstaunt, entrüstet fast. Der Stein machte ein dumpfes Geräusch auf dem Waldboden, als er ihn fallen ließ. Er konnte sich nicht erinnern, ihn überhaupt aufgehoben zu haben. Egal. Völlig egal. Nicht über das Vergangene nachdenken. Vergangenheit macht krank. Zukunft zählt. Das ist alles.
    Er wischte die rechte Hand abwesend an seinem Jackett ab. Später beseitigen, das Sakko, dachte er. Sein Kopf begann wie von allein die nächsten Schritte abzuwägen. Was er brauchte, war eine Schaufel.
    Er blickte nach oben, durch die Baumkronen in den Himmel. Es war jetzt fast dunkel. Er fröstelte und knöpfte sein Jackett zu. Es war kalt. Zu kalt für die Jahreszeit, dachte er. Wieder einmal. Das nannte sich nun Frühling. Er atmete tief durch. Der Körper vor seinen Füßen war kaum noch zu sehen, als machte er sich daran, ganz von allein zu verschwinden. Nur Manuelas Gesicht schimmerte hell auf dem fast schwarzen Boden.
    Er drehte sich abrupt um und ging durch den Wald zum Auto. Der Passat schimmerte elegant durch die nächtlichen Bäume und Sträucher. Ein Juwel. Spaziergänger waren in diesem Teil des Barnstorfer Waldes nicht mehr zu erwarten. In einer halben Stunde würde er wiederkommen. Spätestens. Mit einer Schaufel. Er setzte sich hinters Steuer, schlug die Fahrertür zu und ergriff mit beiden Händen das Lenkrad.
    Die Fassung verloren. Er hatte für einen Moment die Fassung verloren und nicht gewusst, was er tat. Das durfte ihm nicht wieder passieren, dachte er. Nie mehr.
    Mit diesem Gedanken drehte er den Schlüssel im Zündschloss um und startete den Motor.
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