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Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos
Autoren: Robert Jordan
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festgehalten worden war. Hier überwältigte ihn die Gegenwart des Großen Herrn. Körperlich befand er sich dem Stollen keineswegs näher als an irgendeinem anderen Ort auf der Welt, aber das Muster war hier so dünn, daß ihm ermöglicht wurde, sie innerlich wahrzunehmen.
    Demandred war einem Lächeln so nahe, wie ihm das nur möglich war. Was für Idioten das doch waren, die sich dem Großen Herrn entgegenstellten! O ja, der Stollen war noch verschlossen, aber nicht mehr so undurchdringlich wie zu jener Zeit, da er aus seinem langen Schlaf erwacht und aus seinem Kerker tief unten entschlüpft war. Verschlossen, aber trotzdem war er größer als bei seinem Erwachen. Allerdings nicht so groß wie damals, als man ihn zusammen mit seinen Verbündeten am Ende des Kriegs um die Macht hineingeworfen hatte. Doch bei jedem Besuch seit dem Erwachen war der Stollen ein wenig größer gewesen. Bald würde der Verschluß ganz verschwinden, und der Große Herr konnte endlich wieder die ganze Welt ergreifen. Bald würde der Tag der Rückkehr anbrechen. Und er würde für alle Ewigkeit die Welt regieren. Unter dem Großen Herrn natürlich. Und natürlich gemeinsam mit den anderen der Auserwählten, die bis dahin überlebten.
    »Ihr dürft jetzt gehen, Halbmensch.« Er wollte dieses Ding nicht hier dabeihaben, wenn ihn die Ekstase überkam. Die Ekstase und der Schmerz.
    Schaidar Haran rührte sich nicht.
    Demandred öffnete den Mund - und in seinem Kopf explodierte die Stimme: DEMANDRED!
    Das als Stimme zu bezeichnen war, als bezeichne man einen Berg als Kieselstein. Sie zerquetschte ihn beinahe, explodierte im Innern seines Schädels und füllte ihn gleichzeitig mit Verzückung. Er sank auf die Knie nieder. Der Myrddraal stand da und beobachtete ihn leidenschaftslos, doch da diese Stimme seinen ganzen Verstand erfüllte, nahm er das Ding nur am Rande wahr.
    DEMANDRED. WIE STEHT ES UM DIESE WELT?
    Er war sich niemals sicher, wieviel der Große Herr tatsächlich von der Welt wußte. Er war oft sowohl von Unkenntnis wie auch vom Wissensstand des Großen Herrn überrascht worden. Doch ihm war vollkommen klar, worauf er jetzt hinauswollte.
    »Rahvin ist tot, Großer Herr. Gestern.« Es schmerzte. Wenn Euphorie zu stark wurde, wandelte sie sich in Schmerz. Seine Arme und Beine zuckten. Jetzt schwitzte er. »Lanfear ist spurlos verschwunden, genau wie Asmodean. Und Graendal sagt, Moghedien sei zu ihrem vereinbarten Treffen nicht erschienen. Das war auch gestern, Großer Herr. Ich glaube nicht an Zufälle.«
    DIE AUSERWÄHLTEN SCHWINDEN DAHIN, DEMANDRED. DIE SCHWACHEN FALLEN VON MIR AB. WER MICH VERRÄT, WIRD DEN ENDGÜLTIGEN TOD STERBEN. ASMODEAN, VON SEINEN SCHWÄCHEN AUFGEZEHRT. RAHVIN TOT, WEIL ER ZU STOLZ WAR. ER DIENTE MIR GUT, DOCH SELBST ICH KANN IHN NICHT VOR DEM BAALSFEUER RETTEN. SELBST ICH KANN MICH NICHT AUßERHALB DER ZEIT BEGEBEN. Einen Augenblick lang erfüllte ein schrecklicher Zorn diese entsetzliche Stimme, und dazu - konnte das Niedergeschlagenheit sein? Nur einen kurzen Augenblick. VON MEINEM URALTEN FEIND GETÖTET, DEN MAN DEN DRACHEN NENNT. WÜRDEST DU IN MEINEM DIENST DAS BAALSFEUER VERWENDEN, DEMANRED?
    Demandred zögerte. Ein Schweißtropfen rollte einen Fingerbreit weit seine Wange hinunter. Das schien eine Stunde gedauert zu haben. Ein Jahr lang während des Kriegs um die Macht hatten beide Seiten Baalsfeuer benützt. Bis sie die Folgen begriffen hatten. Ohne eine offizielle Einigung oder einen Waffenstillstand - es hatte niemals einen Waffenstillstand oder auch nur Gnade in diesem Kampf gegeben - hatten beide Seiten einfach damit aufgehört. In diesem Jahr waren ganze Städte im Baalsfeuer vergangen, hunderttausende von Fäden im Muster verbrannt, die Wirklichkeit selbst beinahe aufgelöst und dem Punkt nahegekommen, an dem die Welt und das ganze Universum sich wie Nebel verflüchtigten. Falls das Baalsfeuer noch einmal losgelassen wurde, mochte es keine Welt mehr geben, die er hätte regieren können.
    Noch eine Erkenntnis stieß ihm unangenehm auf. Der Große Herr wußte bereits, wie Rahvin ums Leben gekommen war. Und er schien auch mehr über Asmodean zu wissen, als er selbst. »Wie Ihr befehlt, Großer Herr, so werde ich gehorchen.« Seine Muskeln mochten zucken, doch die Stimme klang felsenfest. An seinen Knien bildeten sich bereits Blasen vom heißen Felsboden, doch seine Haut hätte ebensogut einem anderen gehören können. DAS WERDET IHR.
    »Großer Herr, der Drache kann durchaus vernichtet werden.«
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