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Große Tiere

Große Tiere

Titel: Große Tiere
Autoren: Carl Hiaasen
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und diesmal wurde Dickie der Delphin etwas böse – er biß zu, und nadelspitze Zähne rissen Pedros Hals, seine Schultern, seine nackten Oberschenkel auf. Dann drehte der Delphin sich lässig auf die Seite und stieß einen leisen, fragenden Pfiff aus, das gleiche Geräusch, das Flipper immer am Ende der Fernsehfolgen machte, während er in die Kamera winkte. Pedro Luz gab sich Mühe, keine Angst zu haben, doch er konnte nicht verstehen, was der Delphin ihm mitzuteilen versuchte oder was er tun wollte. Das Salzwasser brannte in seinen Augen und in seiner Kehle, und sein Beinstumpf fühlte sich, als stünde er in Flammen.
    Erneut spürte Pedro Luz, wie kühle Flossen sich unter seine Arme schoben, während der Delphin ihn zum tiefsten Teil des Beckens schob. Der Sicherheitsmann versuchte sich zu befreien, doch das nutzte nichts. Etwas anderes stieß ihn jetzt weiter – eine einzigartige Protuberanz, die keinen Zweifel an Dickies wahren Absichten ließ.
    Pedro Luz war von Ehrfurcht ergriffen und voller Todesangst. Das lange blasse Ding ragte aus dem grauen Wasser hoch und berührte ihn – umschlang eigentlich sein Gesäß. Das amphibische Drängen zauberte eine völlig unvertraute Bitte auf Pedro Luz’ Lippen: »Hilfe!«
    Während er die Ereignisse im Becken unter sich verfolgte, gab Skink zu, daß es eine außergewöhnliche Szene war.
    »Ich sagte Ihnen doch«, sagte Joe Winder. »Es ist eines der Wunder der Natur.«
    Pedro Luz begann zu wimmern. Keine Mühsal ausgedehnten Hanteltrainings und keine pharmazeutische Leistungsverbesserung konnten ihn oder einen anderen Sterblichen auf eine sexuelle Attacke durch einen gesunden Delphin vorbereiten. Pedro Luz war sich noch nie so hilflos, erschöpft und fehl am Platz vorgekommen; verzweifelt schlug er auf die vorwitzig tastende Röhre, diesen ozeanischen Ständer, ein, um durch einen wohlgezielten Schlag von Dickies sehniger Flosse außer Gefecht gesetzt zu werden.
    Indem er sich über das Geländer lehnte, hatte Joe Winder einen guten Rat für ihn: »Geben Sie einfach nach, machen Sie mit. Wehren Sie sich nicht.«
    Doch die Sinnlosigkeit allen Widerstands war Pedro Luz längst klargeworden. Zum erstenmal – zum erstenmal in seinem ganzen Erwachsenenleben – empfand Pedro Luz sich als vollkommen wehrlos und unfähig. Während er zum letztenmal unter Wasser gezogen wurde, machte das Grauen einem Gefühl unendlicher Erniedrigung Platz. Er wurde von einem verdammten Fisch zu Tode gevögelt.

 
    35
    Nina fragte, von wo aus er anrief.
    »Aus Charlies Büro«, sagte Winder. »Ich werde gleich den Hörer die ganze Nacht neben dem Apparat liegen lassen. So kannst du an deinen Gedichten arbeiten und trotzdem Geld verdienen.«
    »Joe, das kostet ihn ein Vermögen. Es sind immerhin vier Dollar pro Minute.«
    »Ich kenne die Preise, Nina. Zerbrich dir darüber nicht den Kopf.«
    »Bist du bereit für mein jüngstes Werk?«
    »Nur eine Strophe. Meine Zeit wird knapp.«
    »Dann hör zu«, sagte sie und begann zu lesen.
    »Ich versank in den Fluten deiner Leidenschaft
Fordernd und nimmermüde.
Du nahmst mich wieder und wieder
Nahmst mir den Atem, spürtest meine Zähne.
Heiß war dein Blut. Ich wünschte mir träumend mehr.«
    »Donnerwetter«, sagte Winder. Die Sache zwischen Nina und dem Kleinlastwagenhändler machte offenbar Fortschritte.
    »Gefällt es dir wirklich? Oder machst du dich wieder über mich lustig?«
    »Nina, du stößt in neue Gefilde vor.«
    »Rate mal, was der Idiot mit den Telefonlizenzen von mir haben will. Limericks! Sexlimericks, wie sie im Playboy stehen. Das ist seine Vorstellung von erotischer Lyrik.«
    »Bleib bei deinem Stil«, sagte Winder.
    »Das werde ich auch.«
    »Eigentlich habe ich nur angerufen, um mich zu verabschieden.«
    »Dann ist also heute der Tag der Tage«, sagte sie. »Sehe ich dich in den Nachrichten?«
    »Ich hoffe nicht.« Er dachte: Zum Teufel, was soll’s. »Ich habe eine Frau kennengelernt«, sagte er.
    »Ich freue mich für dich.«
    »Ach, Nina, sag das nicht.«
    »Aber es stimmt. Ich finde es wunderbar.«
    »Herrgott im Himmel, bist du denn kein bißchen eifersüchtig?«
    »Eigentlich nicht.«
    Mein Gott, sie war ein Arsch. »Dann lüg mich an«, sagte Winder. »Hab Erbarmen mit meiner verrückten Seele und lüg mich an. Sag mir, daß du rasend bist vor Eifersucht.«
    »Du hast gewonnen, Joe. Du hast mich durchschaut.«
    »War das etwa ein Kichern, was ich da grade gehört habe?«
    »Nein!« sagte Nina. Das Kichern entwickelte
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