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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen
Autoren: Claudia Kern
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schockiert.
    Sein Blut klebt an ihren Händen, dachte Frans, während er auf die Gruppe zuging. Drei Menschen duckten sich unter seinem Blick, zwei, Anais und Reggie, hoben den Kopf und sahen ihn mit einer Mischung aus Angst und Trotz an. Er hätte ihnen den Trotz am liebsten aus dem Gesicht geschlagen, aber Rimmzahn hatte körperliche Übergriffe verboten.
    Wir sind keine Junta, hatte er erklärt, sondern die Erbauer eines neuen Gottesreiches. Bestraft wird nur, wer sich schuldig gemacht hat und von mir im Namen des Schattenlords abgeurteilt wurde.
    Als Frans an diese Worte dachte, wurde er ruhiger. So viel Weisheit steckte in ihnen.
    »Was hältst du jetzt von deinem Gott?«, fragte Anais. Drei der vier Menschen, die neben ihr auf dem Baumstamm saßen, standen auf und machten sich mit übertriebenem Eifer an die Arbeit, nur Reggie blieb sitzen.
    Frans verschränkte die Arme vor der Brust. Für den Bauch, der sich darunter wölbte, hatte er sich früher geschämt, doch diese Unsicherheit hatte er dank seines Glaubens längst abgelegt.
    »Ich halte das Gleiche von ihm wie vor ...« Micahs Tod, hätte er beinahe gesagt, doch etwas in ihm weigerte sich, die Worte auszusprechen.
    »... wie vorher«, fuhr er stattdessen fort. Anais reagierte ungläubig, fast schon angewidert auf seine Antwort, was Frans nur noch stärker anspornte. »Um genau zu sein, verehre ich unseren Propheten und den Gott, dem wir alle dienen, noch mehr als je zuvor. Mit einer Handbewegung hätte er euch alle töten können, doch das hat er nicht getan. Ihr habt eine zweite Chance bekommen, und die solltet ihr nutzen.« Er wandte sich Reggie zu. »Vor allem du.«
    »Ich?« Reggie runzelte die Stirn. Er hatte dunklere Haut als Anais, trotzdem bemerkte Frans die tiefen Ringe unter seinen Augen.
    »Wer denn sonst?«, fragte er zurück. »Deine Freundin ist eine Elfe, und sie hat es noch nicht einmal für nötig gehalten, dir das zu sagen. Sie hat dich hintergangen. Du solltest dem Schattenlord dankbar sein. Seine Taten haben sie gezwungen, sich zu offenbaren.«
    »Das stimmt nicht.« Reggie stand auf. Er war größer als Frans und muskulöser. »Emma hat sich offenbart, weil andere ihre Hilfe brauchten, und das macht mich stolz.«
    Anais nickte, als teile sie seine Meinung. Wut stieg heiß und bitter in Frans auf. »Wenn ihr euch nur sehen könntet. Die Elfen beherrschen euch mit ihrer Magie, ohne dass ihr es merkt. Emma hat dich betrogen und ausgenutzt. Sie ...«
    Reggie ließ ihn nicht ausreden. »Sie hat getan, was nötig war, um sich und mich zu schützen. Ich vertraue ihr, und ich liebe sie. Daran wirst du nichts ändern.«
    »Liebe!« Frans schrie ihm das Wort entgegen. »Der Schattenlord ist Liebe, aber das werden Leute wie du erst verstehen, wenn er euch mit seiner göttlichen Faust in den Boden rammt!«
    Er holte tief Luft, doch bevor er fortfahren konnte, sagte eine Stimme hinter ihm leise: »Frans?«
    Als er den Kopf drehte, sah er, dass Rudy auf dem Platz stand. Er hielt zwei dampfende Holzbecher in den Händen und wirkte verloren. Das weiße Kopftuch rutschte ihm bis in die Stirn.
    »Ich dachte, dass du vielleicht etwas heißen Tee möchtest. Ein paar von den Flüchtlingen haben ihn aus Kräutern und Baumrinde gekocht. Er schmeckt wirklich sehr gut.«
    Frans schluckte seinen Ärger hinunter und den Verweis, den er seinem Freund wegen des schlecht sitzenden Kopftuchs hätte geben können. Ihre Beziehung hatte sich verändert, seit Frans den wahren Glauben gefunden hatte. Früher hatte er zu Rudy aufgesehen und ihn um seine Stärke und Selbstsicherheit beneidet, doch das war vorbei. Nun führte er Rudy, auch wenn er ahnte, dass dessen Glaube nur vorgetäuscht war. Er war ein Mitläufer, eine bedauernswerte Kreatur, die eines Tages für ihre Schwäche bezahlen würde.
    Er schüttelte den Gedanken ab. »Danke, Rudy. Stell den Becher auf den Baumstumpf dahinten, ich werde ihn gleich probieren.«
    Rudy zögerte. »Ich dachte, wir könnten ihn zusammen trinken. Wir sehen uns in letzter Zeit so selten.«
    Frans spürte, dass er errötete, und biss sich auf die Unterlippe. Die Gestrandeten wussten zwar, dass er und Rudy ein Paar waren, die meisten Flüchtlinge jedoch nicht. Das war ihm auch recht. Noch hatte niemand eine Ahnung, wie der Schattenlord zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen stand, aber es war besser, sich abzusichern. Eine Trennung von Rudy war besser als der Verlust seines Seelenheils.
    »Ich trinke ihn, wenn ich Zeit habe«, sagte er
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