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Gehirntraining - Ueber Die Benutzung Des Kopfes.

Titel: Gehirntraining - Ueber Die Benutzung Des Kopfes.
Autoren: Frank Schirrmacher
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Kraft ihrer Gedanken die richtigen Magnetfelder zu produzieren, begann sich unter dem Einfluss ihrer Vorstellungen die Hand entsprechend der Vorstellung - von den Magnetfeldern gesteuert - zu bewegen. Dabei war die Hand an eine Plastikprothese fixiert. Die Plastikprothese war über kleine Kabel mit dem Magnetoenzephalografen oder dem Elektroenzephalografen, welche die Hirnströme auffangen, verbunden. Bei der richtigen Vorstellung entstanden die entsprechenden Magnetfelder und bewegten dann die an der Hand befestigte Prothese in der vorgestellten Art und Weise. Damit konnten die Schlaganfallpatienten das gelähmte Glied wieder willentlich bewegen.
    Die Tatsache, dass dies bei fast allen Patienten nach nur zwanzig einstündigen Sitzungen möglich war und im Laufe dieser Zeit die Leistung von zufällig bis auf 70 bis 80 Prozent korrekt anstieg, zeigt, dass auch ältere Menschen nach zum Teil sehr großen Zerstörungen der Hirnsubstanz in der Lage sind, komplexe Aufgaben mit Neurofeedback
zu lernen. Die Plastizität des Nervensystems bleibt im Allgemeinen auch im hohen Alter erhalten, und nur neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit können diese erstaunliche plastische Lernfähigkeit unseres Gehirns beeinträchtigen.
    Das Prinzip, welches dem Brain-Computer-Interface für Schlaganfallpatienten zugrunde liegt, ist bereits in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts von Lernpsychologen und Neurowissenschaftlern entwickelt worden und wird meist als Biofeedback- oder Neurofeedback-Therapie bezeichnet. Das Prinzip beruht auf den bekannten Lernmechanismen des Belohnungslernens, das bei Brain-Computer-Interfaces nun nicht auf das Verhalten des Menschen angewandt wird, sondern ausschließlich auf seine Hirnaktivität. Genauso, wie wir lernen, Verhaltensweisen zu wiederholen und Orte aufzusuchen, an denen wir Positives erlebt haben oder erwarten, genauso können wir lernen, die Aktivitäten unseres eigenen Gehirns, seien sie nun elektrisch, magnetisch, chemisch oder metabolisch, unter willentliche Kontrolle zu bringen - wenn diese Aktivitäten auch systematisch belohnt werden. Auf diese Weise war es zum Beispiel möglich, medikamentös nicht behandelbaren Epileptikern beizubringen, bereits vor Auftreten eines epileptischen Anfalls die Hirnströme, welche die Anfälle auslösen, so zu beeinflussen und ihre Erregbarkeit so weit zu reduzieren, dass sie die Anfälle unterdrücken konnten. Damit ein epileptisches Gehirn allerdings die Selbstkontrolle der Anfälle erlernen kann, vergehen sehr viel mehr als die zwanzig Stunden Training wie bei Schlaganfallpatienten.

    Bereits 1969 konnte der Deutschamerikaner Eberhard Fetz vom Primatenzentrum der University of Washington in Seattle zeigen, dass Affen lernen können, permanent das Entladungsverhalten einzelner Hirnzellen zu kontrollieren. Systematische Belohnung für bestimmte Erregungssalven der Nervenzellen führen zu dieser überraschend speziellen Leistung von Selbstkontrolle. Sie lief zweifellos ohne bewusste Steuer- und Denkprozesse ab. Dreißig Jahre später erschien in der Zeitschrift »Nature« eine Arbeit unserer Gruppe, in der wir erstmals nachweisen konnten, dass vollkommen gelähmte, zur Kommunikation selbst mit den Augen unfähige, geistig aber wache Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose - ALS - im Zustand des »Eingeschlossen-Seins« lernen können, mit einzelnen elektrischen Hirnwellen anhand des Elektroenzephalogramms Buchstaben in einem Computermenü auszuwählen und damit Worte zusammenzusetzen. Auch hier ging eine längere Lern- und Trainingsphase voraus, während der die Patienten über Biofeedback willentliche Kontrolle über ihre Hirnwellen erlernten.
    Trotz dieser eindrucksvollen experimentellen Belege für die Wirkung der Belohnungsvorgänge erlangten die Selbstregulationsfertigkeiten des Gehirns von Mensch und höheren Säugern und die heilende Kraft dieser Fertigkeit keine breite Anwendung. Und obwohl die potenziellen Zielgruppen von geradezu epidemisch auftretenden Krankheiten wie Aufmerksamkeitsstörungen, Epilepsien, Lähmungen aller Art, beginnender Alzheimer-Krankheit betroffen sind, ist die Akzeptanz der Verfahren bisher vernachlässigbar. Die Kassen weigern sich, Biofeedback und
Neurofeedbacktherapien zu bezahlen, finanzieren aber die pharmakologische Vergiftung unserer Kinder mit Aufmerksamkeitsproblemen durch stimulierende Drogen wie Ritalin; sie bezahlen wenig wirksame, teure operative Eingriffe bei Epilepsien, bei denen
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