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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition)
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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Entscheidung treffen: Ich musste entweder auf die Realschule wechseln oder das Ganze mit einem qualifizierten Hauptschulabschluss beenden. Für mich war klar: So schnell wie möglich Schluss mit Schule. Also wählte ich die Hauptschule und begann mit 14 Jahren meine Lehre als Raumausstatter.

DER RAUMAUSSTATTER AUS HERZOGENAURACH
    Wie oft musste ich später diesen Zusatz in den Zeitungen lesen: »Lothar Matthäus, der Raumausstatter aus Herzogenaurach …« Diese ja durchaus zutreffende Beschreibung hatte aber wenig damit zu tun, über meine Berufsausbildung zu informieren. Nein, meist ging es den Redakteuren darum, mich zwischen den Zeilen auf einem bestimmten Niveau einzuordnen.
    Ich halte so etwas aus, aber wenn Journalisten einen Beruf wie den des Raumausstatters indirekt beleidigen, finde ich das unschön. Ich war stolz, den Beruf gelernt und ausgeübt zu haben. Der Beruf hat mir Spaß gemacht. Raumausstatter zu lernen sollte für mich eine Zwischenstation sein auf dem Wege zum Innenarchitekten. Ich weiß nicht, was besser ist: sich mit Menschen zu treffen und mit ihnen gemeinsam ein schönes Zuhause zu planen und zu verwirklichen, oder den ganzen Tag vor dem Monitor zu sitzen und despektierliche Artikel zu schreiben. Ich schätze einen Straßenkehrer genauso wie einen Bankdirektor. Einer hatte vielleicht ein bisschen mehr Glück, ein anderer hat vielleicht ein bisschen mehr Grips. Aber man sollte doch jedem Menschen mit dem gleichen Respekt begegnen. Ich habe bei Freundschaftsspielen einen Fünftligaspieler genauso respektiert wie einen Erstligisten.
    Der Raumausstatter aus Herzogenaurach. Auch der Name der Stadt sollte meist nichts weiter symbolisieren als tiefste Provinz und alle damit verbundenen Klischees. Dazu sage ich, dass es natürlich viele größere und von mir aus auch schönere Städte gibt. Aber zum einen ist Herzogenaurach meine Heimat, so wie jeder irgendeinen Ort seine Heimat nennt. Und zum anderen ist Herzogenaurach mit seinen 15000 Einwohnern immerhin eine Stadt, die man auf der ganzen Welt kennt durch nicht weniger als vier Weltmarken: Adidas, Puma, Schaeffler und Lothar Matthäus. Punkt. Aus. Ja, ich sage mit Stolz: Auch Lothar Matthäus ist eine Weltmarke.
    Aber nun der Raumausstatter. Warum wollte ich gerade Raumausstatter werden – und nicht Fußballprofi? Mit zwölf oder dreizehn hatte ich einfach nur Spaß am Fußball. Große Ziele verfolgte ich nicht. Klar hingen Poster von Netzer und Vogts im Kinderzimmer, aber ich wollte nie so sein wie sie. Sie waren keine Idole für mich. Es gibt eine schöne Anekdote, die das zeigt. Eines Tages kam der brasilianische Top-Club FC Santos nach Herzogenaurach, um mit den großen Helden Pelé, Edu oder Lima dem Ausrüster Puma einen Besuch abzustatten. Das führte dazu, dass mein Vater zum Mittagessen einen weiß-grünen Lederball mitbrachte – mit den Unterschriften von allen Spielern! Ein Fan wäre in die Knie gegangen und hätte sich den Ball in Ehrfurcht hinter Glas gestellt. Ich dagegen schnappte ihn mir und ging am Nachmittag mit den Nachbarjungs kicken. Man kann es sich denken: Am Ende waren sämtliche Unterschriften weg, abgewetzt, verkratzt, verwischt. Selbstverständlich auch die von Pelé. Mir war es einfach egal.
    Genauso ging es mit Günter Netzer, den ich mal bei Puma herumlaufen sah. Warum sollte ich ihm die Hand geben und zu ihm aufblicken? Sein Ferrari und der lange Pelzmantel, mit dem er seinen neuen Lebensstil nach außen hin vertrat, haben mich nie interessiert, geschweige denn beeindruckt. Für mich war wichtig, was auf dem Platz passierte.
    Diese Passion ging jedoch nicht so weit, es als realistisch anzusehen, meinen Lebensweg entsprechend auszurichten. Beckenbauer war Beckenbauer. Aber ich war ja ich. Mein erster Berufswunsch war tatsächlich Raumausstatter. Das war für mich greifbarer, komme ich doch selbst aus einer Handwerkerfamilie. Mein Großvater war Stellmacher, mein Vater ist Schreiner, mein Bruder arbeitet heute zwar bei Puma in der Reklamation, gelernt hat er aber Fliesenleger. Ein Freund meines Bruders verdiente sich als Raumausstatter sein Geld, erzählte mir mal davon, und ich hatte das Gefühl, dass das zu mir passen könnte. Eine Tätigkeit, bei der ich kreativ sein könnte, mit anderen Menschen zu tun haben würde, und die vor allem vielseitig ist. Denn mit dem Raumausstatter würde ich vier Berufe in einem haben: den Dekorateur, den Tapezierer, den Polsterer und den Teppichleger.
    Mein Gesellenstück ist
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