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Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen

Titel: Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen
Autoren: Kurt David
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Wenn man was fragt, schläft man nicht. Also schwieg ich. Es gibt Fragen, die am Schweigen verhungern. Zunächst wunderten wir uns alle gründlich. Papa und Mama mußten sich erst an die neue Situation gewöhnen.
    Etwas vorwurfsvoll meinte Mutter: „Na, nun erklär Heinz das Wort!“
    Während sich Mama wieder hinlegte, saß Vater aufrecht im Bett, schlug auf die Federn und donnerte: „Erklären, erklären“, erklärte er, „so mitten in der Nacht das alberne Wort erklären.“ „Es ist doch erst neun, Richard“, meinte Mama, und es klang wie ein Triumph.
    „Ob neun oder zwölf, es geht hier nicht um die Uhrzeit!“
    „Eben, das mein ich auch“, verteidigte sich Mama.
    „Soll ichs Fremdwörterbuch holen, Papa?“
    „Unsinn, das steht dort nicht drin.“
    „Vielleicht den Duden?“
    „Quatsch!“
    „Oder ,Unsere Muttersprache', Papa?“
    „Nein und nein!“ schimpfte mein Vater.
    Mich erstaunte, daß Papa meiner Mama nicht sagte, sie solle mir das Wort erklären; sonst macht er das manchmal so.
    „Das ist, äh - Heinz, das ist“, stammelte er, „das ist ziemlich kompliziert, wenn ich dir das jetzt so von Bett zu Bett erklären soll. Weißt du“, Papa wurde mächtig liebenswürdig, „weißt du, Heinz, es gibt Wörter, die kann man einfach nicht ohne weiteres erklären.“
    "Ohne weiteres?“
    „Die hört man so in einer eindeutigen Situation, und schon weiß jeder, was gemeint ist.“
    „Jeder, Papa?“
    „Na ja, die meisten.“
    „Und was macht man mit denen, die nicht wissen, was gemeint ist?“
    „Denen muß mans erklären“, mischte sich erneut Mama ins Gespräch.
    Papa schnaufte und schimpfte: „Dann erklärs du ihm doch, bitte, von mir aus, bitte, gern!“
    „Du hast das Wort gebraucht, also mußt du es ihm erklären“, verteidigte sich Mama.
    „Na, wenn ich alle Wörter, die ich gebrauche, erklären sollte, dann - dann reichte die Nacht und der Tag bei mir nicht aus.“
    „Du brauchst jetzt nur das eine Wort zu erklären, Richard.“
    „So - das eine, und wenn du es gebraucht hättest, dann -na?“
    „Dann würde ich es erklären. Aber ich gebrauche übrigens solche Wörter nicht, nie, Richard.“
    „Da bist du ja fein raus, wirklich.“ Papa klatschte abermals mit den flachen Händen auf das Federbett.
    „Streitet euch doch nicht wegen eines so albernen Wortes. Lohnt sich nicht.“
    „Recht hat der Junge“, antwortete Papa, „das lohnt sich doch gar nicht. Sehr vernünftig, Heinz. Und - jetzt schlaf schön.“ Ach, wie mild hatte Papa die letzten Worte gesprochen.
    Ich wurde nun ebenfalls scheinheilig und sagte brav: „Gute Nacht, Mama“ und „Gute Nacht, Papa.“ Und Mutti sagte: „Gute Nacht, Heinz“, und Papa sagte: „Gute Nacht, Junge!“ So glücklich können wir drei manchmal spielen, obwohl, das muß ich eingestehen: Ich hatte mir vorgenommen, am anderen Tag den Thekenwilli nach dem Wort zu fragen. Thekenwilli kann alles erklären, auch das, was manche Erwachsene uns nicht erklären können. Warum sollte ich also Vater weiterhin so quälen?
    Fast wäre ich eingeschlafen, da meldete sich erneut Papa zu Wort: „Heinz, daß du mir ja nicht mal das Wort irgendwo sagst!“
    „Ach wo“, sagte ich gelassen. Und da kam mir ein herrlicher Gedanke: Vaters Furcht eignete sich ausgezeichnet für eine kleine nützliche Erpressung. Ich sagte ganz ruhig: „Ich frag morgen bloß Mona Lisa, Papa!“
    „Wer ist Mona Lisa?" Vater schoß wieder hoch.
    „Nur unser Klassenlehrer, Herr Lampel.“ (Den hätte ich natürlich nie und nimmer gefragt!)
    Auf meinen Vater wirkte das, wie ich es geahnt hatte. Er sprang aus dem Bett. Mond und Straßenlaterne beschienen sein Nachthemd, erhellten sein Gesicht, das aussah, als hätte man eben bei uns eingebrochen. Leise kam Vater zu mir geschlichen. Mama schien zu schlafen. Papa hauchte: „Kein Wort zu Herrn Lampel, kein Wort, Heinz. Das Wort, um das es hier geht, Heinz, dieses bestimmte Wort hast du zu niemandem zu sagen, zu keinem, Heinz.“
    „Hm“, machte ich.
    „Das ist ein schlechtes Wort, Heinz.“
    Noch mal machte ich: „Hm.“
    „Ein sehr schlechtes, Heinz.“
    Es wurde immer spannender, das Wort. Also mußte ich abermals fragen: „Und was bedeutet es, Papa?“
    Vater setzte sich auf meinen Bettrand und gähnte künstlich. „Hör zu! In dem Film war also eine Frau, eine schlechte Frauensperson, ein Weib, das schlecht angezogen war, das heißt, sie war eigentlich gar nicht angezogen, bloß so ein bißchen und
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