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Fingermanns Rache

Fingermanns Rache

Titel: Fingermanns Rache
Autoren: Christof Weiglein
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Überhaupt, wenn ich nicht bald was für meine Gesundheit bekomme, sage ich gar nichts mehr.«
    Schorten drängte jedoch weiter. »Der Name Loki wird im Erpresserbrief genannt. Warum?«
    Arndt legte seine Hände übereinander und versuchte das Zittern zu unterdrücken. Er atmete tief durch und sagte: »Loki, der gute alte Loki. Das habe ich mich auch gefragt. Sie wissen sicherlich schon, dass Loki ein Gott aus der germanischen Mythologie ist, der seine Gestalt verwandeln kann. Er steht für das Böse, obwohl er manchmal, quasi aus Versehen, Gutes bewirkt. Er wird, isländischen Mythen zufolge, in einer gigantischen Schlacht als Anführer des Bösen die Welt der Götter und Menschen vernichten.«
    »Sie sind ja bestens informiert.«
    »Zu meiner Zeit hat man auf der Schule noch was gelernt.«
    »Auf welcher Schule waren Sie denn?«
    »Hab ich vergessen.«
    Es klopfte und Mendel erschien.
    »Endlich«, sagte Arndt und riss Mendel die Tüte mit den Getränken förmlich aus der Hand.
    »Nicht aus der Flasche, bitte.« Schorten entnahm einer Schublade einen Kognakschwenker und einen Filzuntersetzer und reichte beides Arndt. Der stellte das Glas schief auf den Untersetzer und füllte es, den Hauptkommissar nicht aus den Augen lassend, bis zum Rand. Das Glas wippte bedenklich, und einige Tropfen spritzten auf die Tischplatte. Arndt grinste und leerte den Kognak in einem Zug.
    Schorten verzog angewidert das Gesicht. »Sie haben keinerlei Selbstachtung.«
    »Stimmt, aber ich hab einen großen Durst.« Arndt schenkte nach, doch Schorten hielt seine Hand fest.
    »Es reicht jetzt«, zischte er.
    Arndt versuchte sich mit einer ungestümen Handbewegung zu befreien, dabei verschüttete er Kognak auf Schortens exakt angeordnete Papiere. Schorten sprang auf, die Kognakflasche fiel um, und goldbraune Flüssigkeit ergoss sich über die Tischplatte. Fluchend versuchte Schorten seine Papiere zu retten, einige saugten sich voll, andere segelten zu Boden. Währenddessen rollte die Flasche über den Tisch. Arndt griff aufreizend langsam nach ihr und verfehlte sie. Mit gespielter Bestürzung beobachtete er, wie sie herunterfiel und zerbrach.
    Schorten verlor die Beherrschung und brüllte: »Raus hier!«
    Doch Arndt hörte nicht. Er schnappte sich eine weitere Flasche, öffnete sie und nahm einen kräftigen Schluck. Dann stieß er seinen Stuhl weg und begann auf Scherben und Papieren zu tanzen. Schorten brüllte abermals, und Mendel und Tesic eilten auf Arndt zu. Der breitete lachend seine Arme aus und rief: »Auf Loki, auf den Weltuntergang.«
    *
    Das Büro von Marion Tesic war sehr geräumig und hell. Sie teilte es mit Kai Mendel. Von ihrem Platz aus konnte sie bis zur Gedächtniskirche blicken, doch im Moment sah sie nur den gebeugten Rücken von Arndt, der aus dem Fenster starrte.
    »Setzen Sie sich bitte«, sagte sie zum zweiten Mal.
    Arndt ließ sich in einen Bürostuhl mit Armlehnen fallen und drehte sich im Kreis. »Schönes Büro«, brummte er und zog die Nase hoch.
    »Können wir jetzt anfangen?«
    »Färben Sie sich eigentlich die Haare?«
    »Herr Arndt, ich kann ganz schön ungemütlich werden.«
    »So schöne Haare, so eine schöne junge Frau. Was machen Sie nur bei diesem Verein? Ärztin hätten Sie werden sollen. Ärztin wäre genau das Richtige für Sie. Aber färben Ärztinnen sich die Haare? Und vor allem: Färben Sie sie überall?«
    »Mich bringen Sie nicht aus der Fassung.«
    »So wie Schorten? Dessen Ordnungswahn ist eine große Schwäche. Nur ein bisschen Chaos, und schon wirft er mich aus dem Zimmer und lässt Sie die Arbeit machen. Das Verhör war übrigens ein Heidenspaß.«
    »Kein Verhör, eine Befragung.«
    »Ist doch egal. Auf jeden Fall gefällt es mir bei euch. Warmes Zimmer, gute Getränke und ein super Animationsteam.«
    Marion Tesic grinste ungewollt.
    »Sehen Sie«, sagte Arndt, »und Humor haben Sie auch noch.«
    »Herr Arndt, auch wenn Sie sich noch so gut amüsieren, ich bin hier, um meine Arbeit zu machen. Also kommen wir zu Ihrer Interpretation der Stichworte des Entführers zurück.«
    Arndt breitete einladend seine Arme aus. Marion Tesic schaute auf seine rechte Hand. »An Ihrer Hand fehlt ein Finger. Wie ist es dazu gekommen?«
    Die Freude in Arndts Gesicht war wie weggewischt. »Das geht Sie nichts an.«
    »Haben Sie ihn bei einem Unfall verloren?«
    Arndt sah sich unbehaglich um. »Kann ich noch mal ein bisschen Medizin haben?«
    »Nein, das geht nicht. Ich brauche Sie bei einigermaßen klarem
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