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Euro Psycho

Euro Psycho

Titel: Euro Psycho
Autoren: Craig Taylor
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entdecke ich auf der Rückbank des Bentley einen Gegenstand. Was ist das? Eine Tasche oder etwas in der Art. Sie gehört nicht mir … Ich trete näher, werfe einen genaueren Blick auf die Rückbank.
    Es ist eine Tasche. Dem Aussehen und Logo nach handelt es sich um eine Branson-Neon-Retro-Gola-Tasche.
    Verfickte Scheiße!
    Denn ich habe mehr als eine Gola verdient. Hey, die Firma wurde zwar 1905 gegründet, aber in der Marken-Hierarchie von Sportklamotten wühlt Gola im Dreck, schnüffelt nach schmutzigen Eicheln und klebrigen Flechten. Ich muss das Ding aus dem Wagen entfernen.
    Ich öffne die hintere Tür, greife hinein und umklammere vorsichtig den Kunststoffgriff. Doch dann überlege ich es mir anders, stelle sie in den Fußbereich, nehme all meinen Mut zusammen und ziehe den Reißverschluss auf.
    Und was ist in der Tasche? Was ist das? Die dreckigen Sportklamotten irgendeines Durchschnitts-Hansels?
    Nein. Geld. Scheiße, Tonnen davon.
    Ich nehme ein Bündel heraus, starre es ungläubig an … Wer zum? … Was zum? Was ist hier los? In diesem Moment – das Ganze wird immer bizarrer – zuckt hinter mir eine Art Blitz auf, ein gleißend helles Flackern, und als ich mich umdrehe, sehe ich, wie eine Gestalt die Auffahrt zu Omas früherem Haus hinunterstürzt, in der Hand eine Kamera mit Teleobjektiv.
    Ich bin zu benommen, um Jagd auf die Kamera zu machen, ich hocke bloß da und starre auf die Kohle. Dann höre ich, wie irgendwo im Dorf ein Wagen angelassen wird. Als ich den Kopf hebe, kann ich erkennen, wie am Ende der Auffahrt ein grüner Astra vorbeirast. Ich seufze, runzle die Stirn und stehe einen Moment nur so da … Verwirrt gehe ich ins ehemalige Gästezimmer hinauf und strecke mich auf dem Bett mit der kratzigen Decke aus.
    Ich liege auf dem Rücken, starre die Tasche an.
    Ganz ruhig, Kevin, halt durch. Denn hat Pierre-Michael Micaletti nicht während des French Ultra Festivals in Antibes auf einem Laufrad innerhalb von sechs Tagen 814,3 Kilometer zurückgelegt? Halten ihn deswegen viele Leute momentan nicht für den besttrainierten Mann unter den französischen Extremsportlern?
    Ich greife in die Tasche, nehme das Geld heraus. Lauter Bündel 500-Euro-Scheine. Haufenweise davon. Sechstausend Scheine. Und was ist das? Ein Blatt Papier – ein Brief. Ich ziehe ihn heraus und lese die Worte, die dort in geschwungener, makelloser Handschrift geschrieben stehen.
    Mr. King,
    Danke für Ihre Hilfe.
    Anbei, wie in Düsseldorf besprochen, die drei Millionen Euro.
    Ihren kleinen Übergriff können wir getrost vergessen.
    Wir bleiben in Kontakt.
    Der Brief ist mit einem X unterschrieben.
    Was zum Henker ist hier los? Und warum benutzen sie Euro? Das ist nichts weiter als armseliges Spielgeld, ohne den Glanz des Pfund, einer Währung, die auf dem provinziellen Fundament einer feudalen Tradition fußt.
    Aber wie ist das Geld in den Bentley gekommen? Wahrscheinlich hatte der Typ mit dem unbarmherzigen Kinn seine Finger im Spiel, der Wichser. Aber er war in Lissabon, und der Bentley stand in England. Hat jemand anderes es dort deponiert? Irgendeine Pissnelke, die mit ihm gemeinsame Sache macht? Aber wer? Und was ist mit dem Knipser aus dem Astra? War das nur ein Paparazzo, der in Corlham den Jungs auf gut Glück aufgelauert und mich dann verfolgt hat? Schon möglich. Hey, das Hello! -Magazin hat letzten Monat fünfzehn Riesen für ein Foto von mir gezahlt, auf dem ich mit finsterer Miene einen Geldautomaten anstarre. Oder ist der Fotograf dasselbe Arschgesicht, das meinen Bentley mit der Gola-Tasche besudelt hat?
    Fragen über Fragen.
    Und wofür hat der Typ mit dem fiesen Kinn mir die Kohle gegeben? Ich meine, ich bin nicht gerade ein Spezialist für Körpersprache, aber ich dachte, als ich ihm an die Gurgel bin, hätte ich einigermaßen deutlich gemacht, dass ich an seinem Angebot, für ihn das Champions-League-Finale zu verlieren, nicht sonderlich interessiert war.
    Dann kapiere ich.
    Das freie Tor. Der Typ mit dem mürrischen Kinn denkt, dass ich die Hundertprozentige absichtlich nicht reingemacht, seinetwegen so beschissen gespielt habe, um die drei Millionen zu kassieren. Denn woher soll er wissen, dass sich meine Psyche in ein Monster des Selbstzweifels verwandelt hat, gelähmt durch die quälende Unerbittlichkeit der Fußballgeschichte? Das konnte er nicht ahnen.
    Er glaubt, dass ich absichtlich hingeworfen habe.
    Ist der professionelle Artist Reverend Dr. Davi Adamovich – alias Throwdini –, der schnellste
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