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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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dürfen?«
    »Themenwechsel, Themenwechsel!«
    »Versteh mich bitte nicht falsch …«
    »Themenwechsel.«
    Themenwechsel nicht möglich, weil das alles ist, was ihm durch den Kopf geht. Nicht, wie es mir geht. Nicht, ob er mir irgendwie helfen könnte. Sondern nur er. Jonas, Jonas, Jonas, immer nur Jonas. Scheiße. Alles Scheiße, was er redet. Nur Scheiße im Kopf. Ich hätte gerade gute Lust, seinen Schädel in das Schaufenster zu schlagen und zu sehen, wie all die Scheiße aus seinem Hirn quillt. Ich brauche dringend einen Drink. Mehr als dringend.
    Ich glaube, meine Happy Hour beginnt jetzt. Es wäre doch lustig, ausnahmsweise nicht allein, sondern zu zweit wegzugehen. Als Freunde. So wie früher.
    Fröhlich bleiben. Keine Gefühle zeigen. »Neues Thema, hm? Was machst du heute noch? Nein, nein, musst nicht darauf antworten: Du kommst mit mir mit. Beschlossene Sache. Heute feiern wir. Dass wir uns wiedergetroffen haben und so. Auf das Schicksal! Ich kenne da einen echt geilen Club, ganz neu, warte mal, wie hieß der?«
    Er sagt nichts. Hat den Glanz verloren, der während seiner Großen Ansprache in seinen Augen lag. Warum ist er enttäuscht? Ich habe ihm nichts vorgeworfen, ich habe ihn nicht vor den Kopf gestoßen und ihm auch nicht den Kopf eingeschlagen. Er soll mir bloß keine Schuldgefühle bereiten.
    »Ich kann heute nicht, Anita. Ich muss morgen in die Schule. Wie du vielleicht weißt.«

    O.k., tschüss. Schönes Leben noch, Jonas.
    Wie ich ihn hasse. Aber ich kuss-küsse die Luft auf beiden Seiten seines Kopfs, wie mir der Jugendlichenkodex das vorschreibt, und sage, ich hätte mich gefreut, mit ihm zu palavern. Verlorene Zeit, sage ich nicht. Auch nicht: Bis bald. Sein Grübchen ist nicht mehr da. Wird wohl nie wiederkommen.
    Ich drehe mich nicht um. Sehe nicht, ob er sich umdreht, mir nachsieht oder nur wegstapft, die Hände in die Hosentaschen gestopft.
    In dieser Nacht liege ich auf der nach Whiskey riechenden und nach Schweiß schmeckenden Theke eines Clubs, ich weiß nicht mehr genau, wie er heißt, aber er befindet sich in einem der angesagteren Außenbezirke der Stadt, an die Bahnfahrt erinnere ich mich noch. Während ich an dem Finger eines Jungen sauge, der sich von seinem Barhocker aus über mich beugt und aus einer Bierflasche trinkt, bis ihm der Schaum über das Kinn läuft, denke ich noch einmal an das Gespräch mit Jonas. Er hat Recht. Es kann ja nicht schaden, wieder in die Schule zu gehen. Und wenn es nur ein einziges Mal ist. Vielleicht würde es sogar Spaß machen.
    Früher habe ich immer geweint am letzten Ferientag. Ich wollte nicht in das alte Muster zurück, in vorgeschriebene Tagesabläufe. Obwohl ich auf mich allein gestellt ja auch bloß in eine Routine verfalle, das sehe ich jetzt. Aber die Schule hat mir Angst gemacht. Jede letzte Feriennacht träumte ich denselben Traum, oder dachte zumindest, ich hätte ihn schon Tausende Male geträumt, aber noch keinen Ausweg gefunden. Ich fand mich immer vollkommen nackt in der Schule wieder, musste durch die Flure laufen und wusste, dass die anderen mich lächerlich und hässlich finden.
Und dass ich keine Schulsachen dabeihatte. Das war schlimmer als die Nacktheit: Ich war unvorbereitet.
    Auf morgen kann ich mich nicht vorbereiten. Jetzt ohnehin nicht mehr, die Nacht ist fast schon vorbei. Ich werde bis morgen früh an dem Daumen des Kerls hier nuckeln. Das ist sehr beruhigend. Er wird nicht weglaufen. Ich lecke ihm lauwarmes Bier von der Brust, und wir verlieren uns. Tanzfläche und Bar und ein fremdes Bett verschmelzen. Irgendwo darin muss ich stecken. Aber ich kann mich nicht sehen. Ich bin verschollen. Im Schall der Musik und im Rauch der Mutzigaretten.

4
LA PALOMA
    Ich war einfach dumm. Ich hätte nicht auf Jonas hören sollen, nicht darüber nachdenken, mich nicht schuldig fühlen sollen. Ich hätte nicht kommen sollen. Es hat sich nichts geändert. Seit ewigen Zeiten hat sich in diesen Räumen, diesen Fluren, auf dieser Treppe nichts bewegt. Füße, Schritte, ja, aber kein Gefühl. Kein frischer Wind. Die Generationen wechseln, rasend schnell, und doch sind sie alle gleich, nicht nur ähnlich, sie sind Klone, gefangen in ihren pubertären Zyklen von Liebe und Hass, meist auf sich selbst. Sie sind alle nur Planeten, die ohne Unterlass um ihre Sonne kreisen, ohne aufzublicken und zu sehen, dass das Universum groß ist, größer als sie, größer sogar als ihr Ego. Sie haben Angst vor der Erkenntnis. Es ist so viel leichter,

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