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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung
Autoren: Vanessa Dungs
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mit. Es könnte eine Art von Aufschub sein, oder vielleicht würde es den Krebs wenigstens eine zeitlang stoppen können. Zumindest solange in Schach halten, bis ich endlich die Erlaubnis der Ältesten hatte, um Liz zu unseresgleichen machen zu dürfen. Meine Gedanken überschlugen sich.
    Vincent seufzte. „Ich fürchte nicht, Nicholas. Wie gesagt, Rebecca ist der erste Mensch, von dem wir wissen, dass sie das Blut vertragen hat. Glaub´ mir, ich hatte denselben Gedanken, aber das Risiko ist zu groß, vor allem in ihrem ohnehin schon geschwächten Zustand. Es könnte sie umbringen. Wir müssen für Lesley eine andere Lösung finden.“
    „Das war zu erwarten…“, antwortete ich resignierend. Und wo wir schon einmal bei den düsteren Themen waren. „Ich habe noch eine andere Sache, über die ich mit dir reden muss.“ Ich sah in seinen Augen, dass ihm klar war, was nun kommen würde. „Als du mir dein Blut gegeben hast, ist etwas passiert… ich habe Dinge gesehen und gespürt, die ich nicht einordnen kann. Ich möchte wissen, was es damit auf sich hat. Ich bekomme manche Bilder einfach nicht mehr aus meinem Kopf.“ Es hatte sich angefühlt, als würde ich selbst Vincent sein und durchs dunkle Mittelalter streifen, auf der Suche nach Vergeltung. Er war als Mensch verraten worden und man hatte seine Familie und ihn getötet, möglicherweise war es tatsächlich Schicksal gewesen, dass er einem Vampir begegnet war, der ihn unsterblich gemacht hatte.
    „Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht klar gewesen, dass du so tief in die alten Geschehnisse eintauchen würdest. Aber das Gute daran ist, dass wir wissen, zu welchen Fähigkeiten du tatsächlich imstande bist. Und offen gestanden ist es mir lieber, wenn du die Wahrheit kennst.“ Seine Ruhe trotz dieser Worte war bemerkenswert. „Das, was du über William de Tracy erfahren hast oder selbst sehen musstest, ist zwar immer noch ein Teil von mir, doch ich habe mein sterbliches Ich zurückgelassen. Die Person, die ich einmal war, ist im Mittelalter geblieben. Nachdem ich in einen Vampir verwandelt worden war und meinen König und seine Handlanger gerichtet hatte, wollte ich eigentlich nur sterben. Ich hatte nur den Wunsch, meiner Familie zu folgen…“ Sein Kiefer zuckte. „Der Vampir in mir wollte sich natürlich nicht aus dem Fenster stürzen und in der Sonne verbrennen, aber der letzte Rest meines menschlichen Gewissens. Die UV-Strahlen verbrannten sofort meine Haut, der beißende Geruch meines verkohlten Fleisches stach so unbarmherzig in meiner Nase… ich konnte nicht anders, also ließ ich mich fallen. Ich fing Feuer, als mein Körper den Abhang hinunter rollte. Der Fluss nahm meinen geschundenen Körper auf. Ich schätze, die Wachen dachten, ich wäre tot, natürlich, denn ein normaler Mann hätte diesen Sturz aus so einer Höhe schon nicht überlebt. Und dann tauchte ich an der tiefsten Stelle unter. Die Strömung konnte mir nichts anhaben. Ich wartete, bis es wieder Nacht wurde und meine Wunden verheilt waren. Dann verließ ich schließlich meine Heimat. Den Edelmann William de Tracy gibt es seit jenem Tag nicht mehr; er liegt bei seiner Frau und seinem Sohn begraben.“ Vincents Gesichtsausdruck veränderte sich urplötzlich, als würde er sich wehmütig an seine Liebe erinnern. Nach wenigen Sekunden fuhr er jedoch fort. „Es dauerte, bis ich mit meinem neuen Dasein etwas anfangen konnte. Zuerst war ich ein Einzelgänger, bis ich nach Jahren der Abgeschiedenheit einen Verbündeten traf, der mir zeigte, dass ich tatsächlich eine zweite Chance erhalten hatte, die ich nutzen musste. Also habe ich mir einen neuen Namen, eine neue Identität zugelegt. Ich wählte nach einiger Zeit die Niederlande als meine neue Heimat aus, was wohl vor allem an Vivien lag…“
    Diese Erinnerung war wahrscheinlich noch frischer, als die bitteren Qualen aus seiner sterblichen Zeit. Er hatte als Mann seinen Sohn und seine Frau verloren und als Vampir seine Partnerin. Wer konnte ihm verübeln, dass er nun keine weiteren Liebesbeziehungen mehr eingehen wollte. Wie viel Verlustschmerz konnte man ertragen?
    „Trotz dieser grausamen Ereignisse habe ich mich wohl für den richtigen Weg entschieden. Ich bin ein Mitglied des Hohen Rats und ich habe meinen Platz gefunden.“
    Es waren Antworten, die meinen Wissenshunger eigentlich stillen sollten, doch es quollen nur noch mehr Fragen an die Oberfläche. Ich hatte zwar immer gewusst, wie alt Vincent war, aber seine Erzählungen und auch
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