Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Titel: Erlöst mich: Thriller (German Edition)
Autoren: Simon Kernick
Vom Netzwerk:
Vorgefallenen sie erwischte, musste Tina sich an der Schreibtischkante abstützen. »Hat er einen Abschiedsbrief hinterlassen?«
    »Sogar drei. Einen an seine Frau. Einen an seine Kinder. Und an jemanden, den er lediglich mit T. anredet und den er mit einem Kosenamen unterzeichnet hat. Haben Sie eine Ahnung, wer das sein könnte?«
    Tina spürte, wie sich ihre Kiefer verkrampften. Sie sah ihn an und sagte: »Ja, das bin ich.«

4
    Es gelang Tina, ihre coole und professionelle Haltung zu bewahren. Hinter der Fassade jedoch entfachten Kummer, Scham und vor allem nagende Schuldgefühle einen Sturm der Gefühle. Trotzdem fragte sie, ob sie die Abschiedsbriefe sehen könne.
    »Sie sind definitiv echt«, sagte Weale. »Seine Frau hat seine Handschrift erkannt.«
    Auch er schien von Tinas Offenbarung, die er nicht erwartet hatte, peinlich berührt. Dadurch sah er noch jünger aus.
    »Hat sie auch den gesehen, der an mich gerichtet war?«
    »Nein.« Weale rieb sich verlegen die Stirn. »Wir glauben nicht, dass im Augenblick etwas dadurch gewonnen wäre, wenn sie wüsste, dass er eine Affäre hatte.«
    Tina seufzte erleichtert.
    »Ich weiß, dass Sie mir die Briefe nicht zeigen müssen, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich einen Blick darauf werfen ließen.«
    Weale überlegte einen Moment, nickte dann und entnahm einem ramponierten ledernen Aktenkoffer, der auf einem Karton in der Ecke stand, drei durchsichtige Asservatenbeutel.
    »Sie dürfen Sie nicht berühren, ich fürchte also, Sie werden Sie durch das Plastik lesen müssen.«
    Er hob sie nacheinander ins Licht, damit Tina sie entziffern konnte. Sie waren alle kurz gehalten und um Vergebung oder wenigstens Nachsicht bemüht. Weale hatte recht. Sie stammten definitiv von Nick. Tina erkannte seine krakelige Handschrift wie auch das Smiley, das er unter den Brief an seine Kinder gemalt hatte. Die Geburtstagskarte, die er ihr vor einigen Monaten geschickt hatte, wies dasselbe Motiv auf. Außerdem nannte er sie, wie es seine Gewohnheit war, auch hier »T« und unterschrieb mit »Mr. P«, so wie sie ihn manchmal genannt hatte. Nick hatte sich offensichtlich Mühe gegeben, lesbar zu schreiben, und angesichts seiner normalen Klaue war ihm das auch gelungen. Schon in nüchternem Zustand dürfte ihn das eine Menge Anstrengung gekostet haben, mit einer halben Flasche Gin intus grenzte es an ein Wunder.
    Tina musste schluckten und zwang sich, in Gegenwart des jungen Kollegen keine Schwäche zu zeigen.
    »Sehen Sie«, sagte Weale und steckte die Briefe zurück in den Koffer, »ich bin nicht hier, um über das, was zwischen Ihnen vorgefallen ist, zu urteilen. Und ich werde sicher alles tun, um zu verhindern, dass es an die Öffentlichkeit gelangt.«
    »Danke.«
    »Wie lange kannten Sie ihn?«
    Wieder seufzte sie.
    »Ich habe seit etwa einem Jahr in unregelmäßigen Abständen mit ihm zusammengearbeitet. Ein Verhältnis hatten wir aber erst seit drei Monaten. Allerdings war vor zwei Wochen Schluss.«
    »Wer hat es beendet? Sie oder Mr. Penny?«
    »Ich.« Sie hielt inne und sah dann Weale direkt an. »Ich
weiß, wie sich das anhört, aber es war kein Selbstmord. Sind Sie über seine Vergangenheit im Bilde?«
    »Ich weiß über seinen Konflikt mit Paul Wise Bescheid, und ich …«, wieder wurde er verlegen, » … kenne auch Ihre Verbindung zu Paul Wise.«
    Allein die Nennung seines Namens erfüllte Tina mit unbändiger Wut.
    »Nick und ich haben nach Beweisen gesucht, die es ermöglicht hätten, den Fall wieder aufzunehmen.«
    Tina sah keinen Anlass, Weale die Gründe ihrer Treffen zu verschweigen. Ihre Vorgesetzten bei der Met hatten ihr zwar unter der Androhung, sie zu suspendieren, untersagt, in der Öffentlichkeit etwas über Wise verlauten zu lassen oder neu zu ermitteln, doch die Tatsachen würden so oder so bald ans Licht kommen.
    »Nick hat die meisten Nachforschungen betrieben. Ich habe ihm so weit geholfen, wie es mir möglich war.«
    »Wie?«
    »Ihm die Informationen besorgt, für die er nicht die nötige Autorität besaß. So in der Art.«
    Sie hoffte, Weale würde nicht nach Einzelheiten fragen, denn was sie getan hatte, konnte sie leicht den Job kosten.
    Er nickte bedächtig, offenbar hatte er Schwierigkeiten, das Ganze zu verdauen.
    »Und? Haben Sie etwas gefunden, das Ihnen weiterhalf?«
    Tina schwieg einen Moment. In Wahrheit war sie von Nicks mangelnden Fortschritten ziemlich enttäuscht gewesen.
    Realistisch betrachtet, bestand allenfalls eine kleine Chance,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher