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Einfach Abschalten

Einfach Abschalten

Titel: Einfach Abschalten
Autoren: William Powers
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Philosophie, Literatur und bildender Kunst. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich das Gleichgewicht deutlich zu einer Seite hin verlagert. Wir hören die Stimmen der anderen und werden von diesen Stimmen gelenkt statt von unserer eigenen. Wir kehren uns nicht mehr so leicht nach innen wie früher.
    Einerseits dreht sich in der digitalen Sphäre alles darum, sich von den anderen zu unterscheiden. Jeder, der im Besitz eines Computers ist, kann heute einen Blog schreiben, und die Möglichkeiten, sich selbst auszudrücken, sind endlos. Diese Selbstdarstellung findet jedoch vollständig innerhalb der digitalen Gemeinde statt, die den Rahmen vorgibt und sie somit definiert. Das führt dazu, dass unser Denken in Reaktion auf und Abhängigkeit von anderen stattfindet. Den ganzen Tag lang der Masse zu folgen ist eine sehr spezielle Art der Lebensführung.
    Lange Zeit ging der Trend dahin, all das als reines Übergangsphänomen abzutun, als eine zeitweilige Erscheinung des technologischen Wandels. Wir befänden uns eben in einer Frühzeit, sagten wir uns. Am Ende werde das Leben zur Ruhe kommen und das innere Selbst wiederbelebt. Dieser hoffnungsvollen Sichtweise liegt eine wesentliche Weisheit zugrunde. Es wäre nicht besonders klug, auf die Kassandrarufe der Technik-Skeptiker zu hören, die sich in aller Regel als falsch erweisen. Die Menschheit ist sehr geschickt darin, den besten Gebrauch neuer Werkzeuge herauszufinden. Es kann jedoch eine Weile dauern. Die Zukunft ist voller Verheißungen, aber wir müssen uns auf die Gegenwart konzentrieren, darauf, wie wir gegenwärtig leben, denken und fühlen.
    Wie die beiden Weggefährten in meiner Geschichte fühlen sich viele von uns ausgelaugt und haben ein großes Bedürfnis danach, der Menge eine Zeit lang zu entkommen. Das Leben im digitalen Raum wäre für uns geistig gesünder und erfüllender, wenn wir wüssten, wie wir ihn ab und an verlassen können.
    Aber können wir gehen? Es ist eine hübsche Vorstellung, dass es da irgendwo eine Tür gibt, durch die man nur hindurchzugehen bräuchte, um an einen anderen Ort zu gelangen. Einen weniger vernetzten Ort, wo die Zeit nicht ganz so flüchtig ist und der Geist zur Ruhe kommen und wieder er selbst sein kann. Wenn Ihnen jemand sagte, dass dieser Ort existiert und dass er wüsste, wie man dorthin kommt, würden Sie ihm folgen?
    Wozu ich mit diesem Buch anregen möchte, ist, zu einer neuen Auffassung und Haltung gegenüber der Welt des Digitalen zu kommen, zu einer Art des Denkens, die sowohl dem menschlichen Bedürfnis Rechnung trägt, Verbindungen nach außen herzustellen und auf den Ruf der Menge einzugehen, als auch dem gegenteiligen Bedürfnis nach Zeit und einem Ort für sich.
    Dieses Buch beginnt mit einem grundlegenden Dilemma: Unsere Bildschirme erfüllen für Privatpersonen, Firmen und andere Organisationen zahllose Aufgaben. Sie liefern uns die Welt ins Haus und sorgen so für allerlei Annehmlichkeiten und Unterhaltung. Aber mit zunehmender Vernetzung verändern sie auch den Charakter unseres Alltags; sie machen ihn hektischer und getriebener. Und wir verlieren etwas sehr Wertvolles, eine Art zu denken und uns durch die Zeit zu bewegen, die sich mit einem einzigen Wort zusammenfassen lässt: Tiefe. Tiefe des Denkens und der Gefühle, Tiefe in unseren Beziehungen, unserer Arbeit und allem, was wir tun. Da Tiefe unser Leben erfüllend und bedeutsam macht, ist es erstaunlich, dass wir das zulassen.
    Wir sind in unserer Lebensführung erfolgreich bestimmten Leitlinien gefolgt – wenn auch unbewusst. Danach ist es 1. gut, sich über den Bildschirm zu vernetzen, und gilt 2.: Je mehr man sich vernetzt, desto besser. Ich nenne das den digitalen Maximalismus, denn sein Ziel ist ein Maximum an Zeit vor dem Bildschirm. Nur wenige von uns sind bewusst zu der Auffassung gelangt, darin einen klugen Umgang mit dem Leben zu sehen, doch machen wir uns nichts vor, so haben wir bisher gelebt.
    Es zeichnet sich allmählich die Einsicht ab, dass uns diese Herangehensweise eine Reihe von Problemen beschert. Wir bekommen es in unserem Alltag zu spüren – die ständige Notwendigkeit, den Bildschirm zu checken, die Unfähigkeit, unsere Gedanken zu verlangsamen und zu konzentrieren. Sie greift überall um sich – zu Hause, in der Schule und am Arbeitsplatz. Man hat hierfür verschiedene Lösungen vorgeschlagen; sie reichen von reglementiertem Verhalten bis hin zu spezieller Software, mittels derer man den Informationsfluss in den Griff
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