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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady
Autoren: Teresa Medeiros
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alles.«
    Sobald die Zofe sich zurückgezogen hatte, war Lottie zu Harriet geeilt. »Was ist denn los, Harriet? Du siehst aus, als läge dir etwas auf der Seele.«
    Obwohl Harriet Dumwinkle nicht wirklich dick war, vermittelte doch alles an ihr den Eindruck von Rundlichkeit – ihre Wangen mit den Grübchen, die Gläser ihrer Drahtbrille vor den rehbraunen Augen, die Schultern, die trotz endloser Stunden mit einem Atlas auf dem Kopf im Salon von Mrs. Lytteltons Bildungsanstalt für junge Damen immer noch leicht nach unten hingen. Ihr Name allein hatte ihr gnadenlosen Spott von Seiten ihrer Mitschülerinnen eingetragen. Es war der Sache außerdem nicht dienlich gewesen, dass das Mädchen tatsächlich ein bisschen … nun … dümmlich war.
    Da sie Ungerechtigkeit noch nie hatte tatenlos mit ansehen können, hatte Lottie sich zu Harriets Beschützerin aufgeschwungen. So wenig gerne sie es auch zugab, sogar sich selbst gegenüber, es lag an Harriets geistiger Schwerfälligkeit, dass das gutmütige Mädchen sich an Lotties Streichen beteiligte, ohne sich wegen der Folgen zu sorgen.
    Harriet umklammerte Lotties Arm. »Ich habe eben zwei Dienstmädchen miteinander flüstern hören. Du errätst nie, wer seit zwei Wochen nebenan lebt, praktisch direkt vor der Nase deiner Tante.«
    Lottie schaute aus dem Fenster. Das verdunkelte Haus, das ebenfalls an den eleganten Platz grenzte, war in der anbrechenden Dämmerung kaum zu erkennen. »Niemand, würde ich sagen. Es ist so ruhig wie eine Gruft. Wir sind seit Dienstag hier, und ich habe noch keine Menschenseele gesehen.«
    Harriet öffnete den Mund.
    »Halt!« Lottie hob abwehrend die Hände und wich zurück. »Egal. Ich will es gar nicht wissen. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist von Laura gescholten zu werden, weil ich mich in etwas eingemischt habe, das mich nichts angeht.«
    »Aber das tust du doch gar nicht«, widersprach Harriet und blinzelte hinter den runden Gläsern ihrer Brille wie eine Eule. »Du bist eine Schriftstellerin. Und du hast immer gesagt, dass deine Schwester den Unterschied zwischen Recherche und Einmischung nicht erkennen kann. Daher muss ich dir sagen …«
    Lottie unterbrach sie erneut. »Weißt du, wen meine Tante auf Sterlings Bitte hin für heute eingeladen hat? Miss Agatha Terwilliger.«
    Harriet wurde blass. »Die schreckliche Terwilliger höchstpersönlich?«
    Lottie nickte. »Eben jene.«
    Miss Agatha Terwilliger war die einzige Lehrerin bei Mrs. Lyttelton gewesen, die sich geweigert hatte, Lotties Hang zu Streichen einfach angeborener Mutwilligkeit oder ihrer Lebhaftigkeit zuzuschreiben. Sie war mehr daran interessiert gewesen, den Charakter ihres Schützlings zu formen, als dessen vernarrten, einflussreichen Vormund, den Herzog von Devonbrooke, zu besänftigen. Die mürrische alte Jungfer hatte Lottie unermüdlich Einhalt geboten und sich so deren unvergängliche Feindschaft eingehandelt, aber auch eine Art widerwilligen Respekt erworben.
    »Sterling möchte Miss Terwilliger beweisen, dass ich nicht länger der ungestüme Wildfang bin, der die Finger ihrer Handschuhe aneinander genäht hat und auf einem Pony in ihr Schlafzimmer geritten ist. Wenn ich heute Nacht jene Stufen hinabschreite, dann wird diese verschrumpelte alte Zimtzicke« – Lottie zuckte angesichts dieses beklagenswerten Rückfalls in eine wenig damenhafte Ausdrucksweise zusammen – »dieses reizende alte Fräulein nichts anderes sehen als eine junge Dame, die dazu taugt, in die gute Gesellschaft eingeführt zu werden. Eine junge Dame, die sich endlich doch die Erkenntnis zu Eigen gemacht hat, dass Tugend sich selber Lohn ist.«
    Harriets Miene wurde flehentlich. »Aber selbst die tugendhafteste aller Damen gönnt sich ab und zu einen stärkenden Schluck von dem köstlichen Süppchen Skandal. Und darum
musst
du einfach erfahren, wer in dem Haus wohnt. Es ist …«
    Lottie hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und begann, den zweiten Satz aus Beethovens fünfter Symphonie zu summen. Unglückseligerweise hatten Jahre des Belauschens anderer sie zu hoher Kunstfertigkeit im Lippenlesen geführt.
    »Nein!« Langsam ließ sie die Hände sinken. »Das kann nicht sein! Der mörderische Marquis höchstpersönlich?«
    Harriet nickte so heftig, dass ihre Locken wie die seidigen Schlappohren eines Spaniels auf und ab flogen. »Eben der. Und die Dienstmägde schwören, dass heute seine letzte Nacht in London ist. Morgen reist er wieder nach Cornwall ab.«
    Lottie schritt mit immer
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