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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Maryla Krüger
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Sie gefällt mir sogar außerordentlich.«
    Ihre neue Art, sich mit Hubert zu unterhalten … Judith saß ein paar Stunden später in einem bequemen Hauskleid auf der Terrasse und aß einen Apfel. Der Mond hatte einen silbrigen Schleier, die Sterne blinkten kühl aus der Ferne. Judith spuckte die Apfelkerne durch das Rosenspalier und betrachtete nachdenklich einen dicken braunen Käfer, der auf dem Rücken lag und mit den Beinen zappelte. Ob ihre Freundschaft mit Hubert sich dem Ende zuneigte? Sie fühlte sich unbehaglich bei diesem Gedanken. Eine Frau mittleren Alters, alleine mit drei Kindern … Ein sonderbares Gefühl überkam sie. Denn Hubert hatte auch seine guten Seiten. Er war, beispielsweise, sehr belesen, korrekt und gescheit. Er war anständig, und zwar in der Weise, dass er nie mit dem Gesetz in Konflikt kam, sich an Spielregeln hielt und seine festgefügten Meinungen sich stets mit den allgemein gültigen deckten. Er war auch ein angenehmer Gesellschafter, ein bisschen langweilig vielleicht, doch er verstand, und das war bisher sehr wichtig in ihrer beider Leben, zu reisen und diese Reisen zu kleinen, wohlgeordneten Erlebnissen zu gestalten. Er besorgte die Tickets, er kaufte die Reiseliteratur, er sprach englisch, französisch, etwas spanisch, er konnte feilschen wie ein Bazarhändler und brachte auch das schlampigste Zimmermädchen zur Räson. Er wusste, wer wann wie viel und warum Trinkgelder bekam; er konnte den Koffer tausendmal besser packen als sie, er hielt die Straßenkarten nicht verkehrt herum und sagte auf Anhieb und nach einem Blick gen Himmel, ob man nach Westen fuhr oder nach Osten oder Richtung Antarktis. Und diesen Ausbund an Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit hatte sie so vor den Kopf gestoßen! Ts. Judith zuckte mit den Achseln. Nein, danke, hatte er gesagt, als sie ihm zum Abendessen Schinkentoast und Bier anbot. Still und verdrossen schmierte er sich stattdessen Quark und Schnittlauch auf ein urgesundes Knäckebrot, trank Mineralwasser und gebärdete sich als der Ausbund an Tugendhaftigkeit gegenüber einer genüsslich in den saftigen Schinken beißenden und ihr Glas Wein schlürfenden Judith. Auch den Sonntagabend-Krimi verschmähte er. Ein schlechtes Zeichen. Normalerweise liebte er nämlich dies bisschen wöchentliche Aufregung am Bildschirm. Männer, die mit Pistolen herumfuchtelten, flapsige Sprüche klopften und rassige Blondinen an ihre dicht behaarte Brust zogen. Denn in Huberts wohlgeordnetem Tagesablauf fehlte eindeutig die Spannung, und sein bislang schlimmstes Erlebnis gipfelte in dem versehentlichen Besuch eines zweifelhaften Etablissements mit einer vollbusigen Bardame und einem rauhbeinigen Wirt. Doch sogar der rauhbeinige Wirt hatte nach einem Blick in Huberts helle Augen nicht mehr gewagt, die einhundertdreißig Mark und fünfzig Pfennige für zwei Piccolos zu verlangen. Und die vollbusige Barfrau verzog sich hinter die Theke, als Hubert sie kalt von Kopf bis Fuß musterte.
    »Abgründe taten sich auf«, sagte er jedes Mal, wenn er die Geschichte zum Besten gab.
    Judith seufzte und lehnte ihren Kopf gegen die Mauer des Hauses, die alt und rauh und noch warm von der Hitze des Tages war. Nicht einmal geküsst hatte er sie zum Abschied. Weder züchtig noch zärtlich, noch leidenschaftlich, sondern überhaupt nicht. Er hatte sich verabschiedet wie ein Finanzbeamter von einem säumigen Steuerzahler und ihr einen so durchdringenden Blick zugeworfen, dass sie auf der Stelle das Gefühl bekam, drei Jahre alt zu sein und aufs Töpfchen zu müssen.
    Am nächsten Morgen – Judith wollte gerade das Haus verlassen – klopfte Lilli kurz ans Fenster. Sie trug ein kleines Köfferchen und sah zum Anbeißen frisch und unternehmungslustig aus.
    »Mutter! Was ist denn in dich gefahren? So früh auf den Beinen? Bist du krank?«
    »Ich verreise für ein paar Tage. Ich muss dringend zu Lydia. Sie hat wieder ihre Sommer-Influenza. Ich muss ihr leider ein wenig Gesellschaft leisten.« Sie schenkte Judith ein leidendes Krankenschwester-Lächeln und seufzte.
    »Du meinst, ab morgen stehen sowieso die Handwerker ins Haus. Und Herr Möllemann rückt an mit Eimer und Farbe.«
    »Es ist mir wirklich unangenehm, Judith, dass ich jetzt nicht helfen kann.«
    »Tatsächlich? Ich dachte eher, du willst Reißaus nehmen. Ich weiß, wie sehr du alles hasst, was nach Farbe, Kleister und Putzmittel riecht.«
    »Ich reiße niemals aus. Ich habe Lydias Krankheit nicht bestellt. Außerdem – hast du nicht ab
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