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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König
Autoren: Dave Eggers
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von den Dingen, die ihn belasteten, von dem Haus, das sich nicht verkaufen ließ und nach Verfall roch, von dem Mann, der in den See gegangen war, von dem Geld, das er so vielen Leuten schuldete, dem Geld, das er brauchte, um seiner Tochter ein guter Vater zu sein, seiner prächtigen Tochter, die nicht bekommen würde, was sie verdiente, es sei denn, hier draußen in der Wüste geschah ein Wunder.
    – Es muss ja nicht heute sein, sagte sie, aber für ihn klang es wie: Es muss gar nicht sein.
    – Scheiße, sagte er. Scheiße Scheiße Scheiße Scheiße Scheiße Scheiße.
    – Ist schon gut, sagte sie.
    – Scheiße Scheiße Scheiße.
    – Schsch, sagte sie, und sie lehnten sich gegeneinander, matt wie Preisboxer, und sahen der Sonne zu, die sich ins Meer ergoss.

XXXIII.
    DIE DÄMMERUNG hatte die weißen Wände des Hauses blau gefärbt, die rosa Vorhänge violett. Das Meer draußen war ruhelos und dunkel.
    Alan und Zahra saßen am Küchentisch und tranken Weißwein. Er hatte die Datteln aufgegessen.
    – Ich muss für ein paar Wochen nach Paris, sagte sie.
    Alan war darauf vorbereitet.
    – Was meinst du, wie lang du noch in Saudi-Arabien bist?, fragte sie.
    Er wusste es nicht.
    Sie tranken die Flasche aus und öffneten die nächste. Sie waren so in die Welt verliebt und so restlos von ihr enttäuscht, dass der Genuss einer weiteren Flasche, während sie am Küchentisch saßen, die nächstliegende Art war, dem Ganzen Rechnung zu tragen.
    Zahra füllte sein Glas neu.
    Es kam Alan so vor, als würde Zahra darauf warten, dass er ging. Aber er war mit ihrem Fahrer gekommen und konnte nur verschwinden, wenn sie ihn wegschickte.
    – Darf ich dir eine Geschichte erzählen?, fragte er.
    – Gern, sagte sie.
    – Ich hab eine Geschichte für deinen Sohn. Wie heißt er noch mal?
    – Mustafa.
    – Mustafa, gut. Ein guter Name.
    Alan war betrunken und wollte, dass Zahra das wusste.
    – Das ist eine gute Geschichte für Mustafa.
    – Das freut mich. Soll ich mir Notizen machen?
    – Nicht nötig. Das Entscheidende behältst du.
    – Ich will’s versuchen.
    – Okay. Mein Vater und ich sind ein paarmal zusammen campen gegangen.
    – Ach, schon wieder campen.
    – Es geht nicht ums Campen. Bitte hör zu.
    – Ich höre.
    Er schenkte ihnen beiden nach. Er konnte kaum richtig sehen, aber er fühlte sich sehr stark.
    – Ich war etwa zehn, zwölf. Und bei diesem Mal ging es rauf nach New Hampshire. Wir fuhren in irgendeinen Nationalpark. Bloß Wald, so weit das Auge reicht. Und wir parkten und stiegen aus und gingen in den Wald hinein. Mindestens vier Stunden lang. Die letzten drei Stunden trafen wir keine Menschenseele mehr. Wir waren sozusagen nicht mehr auf der Karte. Das war am frühen Morgen. Wir waren bei Sonnenaufgang losgegangen. Wir hatten Schneeschuhe dabei, und die benutzten wir, wenn wir in tiefere Verwehungen gerieten. Das Gehen war unglaublich anstrengend. Immer wieder machten wir Rast, um etwas zu trinken und zu essen. Wir aßen Trockenfleisch und Nüsse, so Sachen. Und dann marschierten wir weiter den Hang rauf. Schon gegen drei Uhr nachmittags begann die Sonne unterzugehen, und wir hielten an. Ringsum sahen wir nirgends irgendwelche Anzeichen von Zivilisation. Ich nahm an, dass wir wieder nach unten gehen würden. Es wurde kalt, und es würde um die zehn Grad minus werden. Und was wir anhatten, würde uns nicht warm genug halten.
    – Was hat er sich dabei gedacht? Hattet ihr Zelte? Zahra blickte entsetzt.
    – Das hab ich ihn auch gefragt. »Haben wir ein Zelt?« Ich dachte, er hätte so was wie einen Plan. Aber er tat so, als wäre ihm unsere Lage gerade erst klar geworden. Dass wir es nicht mehr rechtzeitig vor der Dunkelheit zurückschaffen würden und dass wir in der Nacht steif frieren würden. Ganz zu schweigen von der Aussicht auf Wölfe, Bären.
    – Wölfe und Bären?, fragte sie. Ihr Blick war skeptisch.
    – Glaub mir.
    – Bleibt mir wohl nichts anderes übrig.
    – Er sagte also zu mir: »Was sollen wir jetzt machen?« Und da wurde mir klar, dass das eine Art Feuerprobe sein sollte. Irgendwas in seinen Augen stellte mich auf die Probe. Also dachte ich an den ganzen Pfadfinderkram, den ich gelernt hatte, und sagte: »Wir bauen uns einen Unterschlupf.« Und genau das hatte ihm vorgeschwebt. Er macht seinen Rucksack auf und holt eine Axt und ein Stück Seil heraus. Er will, dass wir uns einen Unterschlupf aus Stämmen machen, wie bei einem Floß zusammengebunden.
    – Oh nein.
    – »Was glaubst, wie
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