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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)
Autoren: Frank Schirrmacher
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Eigennutz handelt?
    »Die größte Beleidigung«, schrieb hellsichtig Vance Packard in den Fünfzigerjahren, »der uns die Tiefen-Manipulatoren aussetzen, ist, dass sie versuchen, in die Sphäre unserer Köpfe einzudringen. Es ist dieses Recht der Integrität unseres Geistes – mag er rational oder irrational sein –, das wir verteidigen müssen.« 34
    Was hätte er gesagt, wenn er gewusst hätte, dass im 21. Jahrhundert ein komplexes, voll automatisiertes System für uns beantwortet, was rational ist und was nicht?
    Dass genau fünfzig Jahre später Regierungen und ganze Staaten verzweifelt versuchen, die finanziellen Entscheidungen und Schlussfolgerungen von unendlich vielen, vermutlich längst auf eine uns unverständliche und ungewollte Weise miteinander kommunizierenden synthetischen Computerprogrammen zu beeinflussen, die ständig damit beschäftigt sind, die Gedanken gan zer Populationen zu screenen, um aus den Entscheidungen und Schlussfolgerungen der Regierungen Profit zu ziehen?
    Oder dass in aktuellen, politisch hoch gehandelten Schriften eine neue amerikanische und internationale Staatsräson gefordert wird, in der ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen der Notwendigkeit von verhaltensvorhersagenden Technologien, Wahrheitsdrogen und Folter?
    Vance Packard hätte vielleicht gesagt, dass das erst der Anfang ist. Schließlich war er es, der sie vorausgesagt hatte: die Zeit der »künstlichen Monster«. 35

4 Monster
    Alle handeln vernünftig, und plötzlich tauchen
Ungeheuer auf
    Ü berall werden jetzt Monster gesichtet. Und seit dem alchemistischen Zeitalter wissen wir, dass sie immer dann auftauchen, wenn zwischen der Welt des Sozialen und der Natur Bruchstellen entstehen. Aus diesen Abgründen steigen sie hervor.
    Jede Gesellschaft versucht, ihre soziale Wirklichkeit als Gesetz zu verkaufen, sei es das »göttliche« des Absolutismus, sei es das naturwissenschaftliche der Aufklärung. Und wenn der soziale Wandel nicht mehr durch diese Gesetze begreifbar ist, ohne dass 2 + 2 = 5 ergibt, und wenn dann die Menschen, die das logische System nicht verlassen können, das Gefühl haben, verrückt zu werden – dann verkörpern sich diese Ängste in Monstern.
    Sie kommen und gehen. Sie besiedeln am Anfang des 20. Jahrhunderts die Künste, die Literatur vor allem, verschmelzen dann mit dem Siegeszug der Totalitarismen, mit dem Staat und der Politik, und jetzt tauchen sie in den Finanzmärkten auf.
    Von den vielen Sichtungen jenes »Monsters«, das, wie Newsweek am 6. Oktober 2008 schrieb, »die Wall Street auffraß«, nenne ich nur die vier, die von den nüchternsten und deshalb glaubwürdigsten Beobachtern stammen:
    Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz spricht von den »Frankenstein’schen Laboren an der Wall Street«: »Im Mittelalter versuchten Alchemisten, unedle Metalle in Gold zu verwandeln. Die modernen Alchemisten verwandelten riskante, zweitklassige Hypotheken in erstklassige Produkte, die als so sicher eingestuft wurden, dass sie selbst von Pensionsfonds gehalten werden durften … schließlich beteiligten sich die Banken direkt an dem Glücksspiel.« 36
    »Die internationalen Finanzmärkte haben sich zu einem Monster entwickelt«, war der letzte relevante Satz, den Bundes präsident Horst Köhler, selbst ein Ökonom, vor seinem Rücktritt sagte.
    Der Wissenschaftshistoriker George Dyson, der die Geschichte künstlicher Intelligenz wie kein Zweiter kennt, beschreibt die aktuellen Crashs als die Entfesselung einer künstlichen Kreatur: »Es ist so wie bei der Frage, was geschehen könnte, wenn künstliche DNA freigesetzt würde: Wäre es das Ende der Welt, wie wir sie kennen, wenn diese sich selbst replizierenden numerischen Kreaturen freikämen? Aber wir leben jetzt in einer Welt, wo sie tatsächlich freigesetzt wurden – eine Welt, die immer häufiger von sich selbst replizierendem Code gemanagt wird.« 37
    Und schließlich schreibt der Soziologe Manuel Castells, der geistige Übervater der »Netzwerkgesellschaft«: »Wir haben einen Automaten im Innersten unserer Ökonomien geschaffen, der entschlossen ist, unser Leben zu bestimmen. Der Albtraum der Menschheit, dass die Maschinen die Kontrolle über unsere Welt übernehmen, scheint jetzt schon Wirklichkeit zu werden – nicht in der Form von Robotern, die Berufe vernichten, oder Regierungen, die unsere Leben überwachen, sondern als ein elektronisches System finanzieller Transaktionen.« 38
    Das sind extreme Worte, und jeder fragte
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