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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten
Autoren: Sigrid Lenz
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Zutaten ausreichend auszukennen, um seinem eigenen Körper und dem möglicher Gäste anstelle von Völlegefühl und Herzbeschwerden, den Eindruck vollwertiger Zufriedenheit ohne schädliche Nebenwirkungen zu vermitteln.

 

Soweit so gut. Und wer hätte auch ahnen können, dass Thorsten gerade während des Vortrags, den sie ihrer Sekretärin hielt, gebannt lauschte und sie im Anschluss mit bewundernder Höflichkeit überschüttete. Wer hätte gedacht, dass ein Mann wie er sich von den Hausmütterchen Qualitäten, die doch so vollkommen jenseits der aktuellen Mode und den Prioritäten, die sich eine Frau von heute setzte, lagen, beeindrucken ließ.
Natürlich, Camilla war es gewohnt zwischen den Worten zu lesen und sie erkannte rasch, dass gerade dieser Punkt es war, an dem sich ein gutaussehender, alleinstehender Mann mittleren Alters, auf den sie zudem bereits seit Monaten ein Auge geworfen hatte, greifen ließ. Denn darin lag das Problem. Die Frauen, mit denen er als erfolgreicher Geschäftsmann zu tun hatte, bewegten sich, wie Camilla selbst, in Kreisen, in denen die Nahrungszubereitung, sowie die daraufhin notwendig gewordene Reinigung der Utensilien von diensthabendem Personal ausgeführt wurde.

 

Sollte Thorsten einer von jenen Junggesellen sein, die sich als begehrte Beute der immer noch vereinzelt auftretenden Damenwelt inmitten der Geschäftskreise verstand, so mochten es durchaus die hauswirtschaftlichen Kenntnisse und Vorzüge einer Frau sein, die ihm, wenn auch unterschwellig, eine Verbindung attraktiv erscheinen ließen.

 

Sicher, Camilla wusste sehr gut, dass sie nach einem Strohhalm griff, dass es für eine Frau ihres Alters geradezu unmöglich war, einen Fang wie ihn zu machen.

 

Und gerade deshalb war sie wohl so unüberlegt auf seine Andeutungen angesprungen, hatte sich als etwas, als jemand ausgegeben, der sie nicht war, und ihn im gleichen Atemzug zum Beweis ihrer Fähigkeiten und Künste in ihr Heim eingeladen.

 

Und nun stand sie da, inmitten ihrer Küche, und verfluchte sich, dass sie nicht doch den Catering-Service in Anspruch genommen hatte, der ihr als erstes in den Sinn gekommen war. Ebenso wie sie die Hilfe ihrer Haushälterin erbeten und dieses damit beauftragt hatte, die Wohnung so anheimelnd und wohnlich wie nur möglich zu gestalten, angefangen mit Blumen und Kerzen, bis über hier und da ein zierliches Porzellanfigürchen, das ebenso Camillas Weiblichkeit, wie ihren guten Geschmack zum Ausdruck bringen sollte. Wenn es auch mehr ihr finanzieller Status war, der sich so beweisen ließ, so dachte Camilla bei sich, wenigstens als ihr die Rechnung für das Schmuckstück präsentiert wurde.

 

Das Problem bei jeder Art von Lieferservice bestand nur darin, dass Thorsten aller Wahrscheinlichkeit nach schon jede ortsansässige Adresse selbst wiederholt getestet hatte, ebenso wie sie. Und Camilla wusste sehr wohl, dass sie sowohl an der Aufmachung, als auch am Geschmack der Speisen erkennen konnte, woher sie stammten. Und zwar nicht aus ihrer Küche.

 

Deshalb stand sie nun in derselben und formte, mehr oder weniger geduldig, Röllchen für Röllchen. Nur dass die Gebilde, die sie produzierte weniger einem Lachsröllchen glichen als einem undefinierbaren Klumpen.
Überall klebte die Meerrettich-Sahne-Creme, die eigentlich nur als dünne Schicht auf die Lachsscheiben aufgestrichen, mit hauchfein gehackter Petersilie bestreut, ein filigranes Gebilde der Köstlichkeit ergeben sollte, nach dem Thorsten sich alle zehn Finger leckte.

 

Doch schon beim Abschmecken versagte Camilla nach Strich und Faden. Dabei wusste sie nicht einmal, ob sie zu viel oder zu wenig des teuren Meersalzes verwendet hatte, oder ob der Meerrettich zu stark vorschmeckte. Das Einzige, was ihr klar wurde, nach wiederholtem und verzweifeltem Probieren, war die Tatsache, dass die vermaledeite Creme wie Feuer in ihrer Kehle brannte. In ihrer Ratlosigkeit hatte sie noch mehr Sahne hinzugefügt, wodurch die Konsistenz mehr einer dickflüssigen Suppe zu gleichen begann, die nun von allen Seiten des dünn geschnittenen Lachsfilets herunter rann und auf seiner Mitte lediglich einen feuchten Glanz hinterließ.

 

Camillas Augen brannten mit noch nicht geweinten Tränen. Wieso konnte sie in einem Raum voller Aufsichtsratsvorsitzender sicher und fehlerfrei auftreten, aber kein lächerliches Lachsröllchen zubereiten?
Es
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