Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte
Autoren: Michael Ende
Vom Netzwerk:
versicherte das Irrlicht unglücklich. »Es sieht eigentlich gar nicht aus. Es ist-es ist wie - ach, es gibt kein Wort dafür!« »Es ist«, fiel der Winzling ein, »als ob man blind wäre, wenn man auf die Stelle schaut, nicht wahr?«
    Das Irrlicht starrte ihn mit offenem Mund an.
    »Das ist der richtige Ausdruck!« rief es. »Aber woher - ich meine, wieso - oder kennt ihr auch dieses -?«
    »Augenblick!« knarrte der Felsenbeißer dazwischen. »Ist es bei der einen Stelle geblieben, sag?«»Zunächst ja«, erklärte das Irrlicht, »das heißt, die Stelle wurde nach und nach immer größer. Irgendwie fehlte immer mehr von der Gegend. Die Ur-Unke Umpf, die mit ihrem Volk im Brodelbrüh-See lebte, war dann auch plötzlich einfach weg. Andere Einwohner begannen zu fliehen. Aber nach und nach fing es auch an anderen Stellen im Moder-Moor an. Manchmal war es anfangs nur ganz klein, ein Nichts, so groß wie ein Sumpfhuhn-Ei. Aber diese Stellen machten sich breit. Wenn jemand aus Versehen mit dem Fuß hineintrat, dann war auch der Fuß weg - oder die Hand - oder was eben sonst hineingeraten war. Es tut übrigens nicht weh - nur daß dem Betreffenden dann eben plötzlich ein Stück fehlt. Manche haben sich sogar absichtlich hineinfallen lassen, wenn sie dem Nichts zu nahe gekommen sind. Es übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, die um so stärker wird, je größer die Stelle ist. Niemand von uns konnte sich erklären, was diese schreckliche Sache sein konnte, woher sie kam und was man dagegen tun sollte. Und da es von selbst nicht wieder verschwand, sondern sich immer mehr ausbreitete, wurde schließlich beschlossen, einen Boten zur Kindlichen Kaiserin zu senden, um sie um Rat und Hilfe zu bitten. Und dieser Bote bin ich.«
    Die anderen drei blickten schweigend vor sich hin.
    »Huhu!« ließ sich nach einer Weile die jammernde Stimme des Nachtalbs vernehmen, »dort, wo ich herkomme, ist es genau dasselbe. Und ich bin mit dem gleichen Ziel unterwegs huhu!«
    Der Winzling wandte sein Gesicht dem Irrlicht zu. »Jeder von uns«, piepste er, »kommt aus einem anderen Land Phantasiens. Wir haben uns ganz zufällig hier getroffen. Aber jeder bringt der Kindlichen Kaiserin die gleiche Botschaft.«
    »Und das heißt«, ächzte der Felsenbeißer, »ganz Phantasien ist in Gefahr.«
    Das Irrlicht blickte zu Tode erschrocken von einem zum anderen.
    »Aber dann«, rief es und sprang auf, »dürfen wir doch keinen Augenblick mehr versäumen!« »Wir wollten sowieso gerade aufbrechen«, erklärte der Winzling. »Wir hatten nur Rast gemacht wegen der undurchdringlichen Finsternis hier im Haulewald. Aber jetzt, wo Sie bei uns sind, Blubb, können Sie uns ja leuchten.«
    »Unmöglich ! « rief das Irrlicht, »ich kann nicht auf jemand warten, der auf einer Schnecke reitet, tut mir leid!«
    »Aber es ist eine Renn-Schnecke!« sagte der Winzling etwas gekränkt.
    »Und außerdem - huhu ! -«, raunte der Nachtalb, »sagen wir dir sonst einfach nicht die richtige Richtung!«
    »Mit wem redet ihr überhaupt?« knurrte der Felsenbeißer.
    Und in der Tat, das Irrlicht hatte die letzten Worte der anderen Boten schon nicht mehr vernommen, sondern hüpfte bereits in langen Sprüngen durch den Wald davon. »Nun ja«, meinte Uckück, der Winzling, und schob sein rotes Zylinderchen ins Genick, »als Wegbeleuchtung wäre ein Irrlicht vielleicht sowieso nicht ganz das Richtige gewesen.« Dabei schwang er sich in den Sattel seiner Renn-Schnecke.
    »Mir wäre es übrigens auch lieber«, erklärte der Nachtalb und rief durch ein leises Huhu! seine Fledermaus herbei, »wenn jeder von uns auf eigene Faust reist. Man fliegt ja schließlich!«
    Und husch! fort war er.
    Der Felsenbeißer löschte das Lagerfeuer aus, indem er einfach ein paarmal mit der flachen Hand draufpatschte.
    »Ist mir auch lieber«, hörte man ihn in der Dunkelheit knarren, »da brauche ich nicht aufzupassen, ob ich irgendwas Winziges plattwalze.«
    Und dann hörte man ihn mit Geprassel und Geknacke auf seinem gewaltigen Felsenfahrrad einfach ins Gehölz hineinfahren. Ab und zu prallte er dumpf gegen einen Baumriesen, man hörte ihn knirschen und knurren. Langsam entfernte sich das Getöse in der Finsternis. Uckück, der Winzling, blieb allein zurück. Er ergriff die Zügel aus feinen Silberfäden und sagte:
    »Nun ja, wir werden ja sehen, wer zuerst ankommt. Hü, meine Alte, hü!«
    Und er schnalzte mit der Zunge.
    Und dann war nichts mehr zu hören als der Sturmwind, der in den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher