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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Gisa Pauly
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Mutter war, konnte die Stille nicht ertragen. Notfalls erschlug er sie mit seiner lauten Hiphop-Musik, die selbst seine Mutter nervös gemacht hatte, oder er füllte das Schweigen, das sich um seinen Vater und seine Schwester ausbreitete, mit seiner Stimme. Felix war es gewöhnt, in schweigende Gesichter zu reden, in erstaunte Augen, verständnislose Blicke und heimliches Seufzen.
    »Bleibt die Nonna bis zu den Sommerferien?«, erkundigte er sich.
    Carolin hob die Schultern, und Erik seufzte, als wollte er es nicht hoffen.
    »Dann fahre ich mit ihr zusammen zurück«, verkündete Felix und zupfte an seinen schwarzen Locken, die von seinem Käppi auf die Stirn gedrückt wurden. Felix verzichtete selten auf seine Kopfbedeckung. Lucia hatte ihm das Käppi manchmal nach dem Einschlafen abgenommen. Nur dann hatte er es nicht gleich wieder auf den Kopf zurückgeschoben, so wie vor, während und nach den Mahlzeiten. Erik hatte lange fasziniert zugesehen und die Hartnäckigkeit seiner Frau bewundert. Lucia nahm Felix das Käppi ab, er setzte es wieder auf. Nach einigen Wochen hatte er gewonnen.
    »Willst du auch die Ferien in Italien verbringen?«, fragte er seine Schwester.
    Als Carolin den Kopf schüttelte, lachte er triumphierend. »Ach nee, in Umbrien sind dir ja alle zu laut, ich vergaß. Und du … du warst dem Nonno sogar dann noch zu leise, als er keinen Lärm mehr vertragen konnte.«
    Der vierzehnjährige Felix rutschte auf dem Rücksitz hin und her und freute sich auf seine Nonna mit dem ganzen Körper, der ganzen Seele und allen Gefühlen, die aus ihm herausdrängten.
    »Da, der Flughafen!«, schrie er und kümmerte sich nicht darum, dass Carolin zusammenzuckte und Erik vor Schreck das Steuer verriss.
    Als im selben Augenblick auch noch Eriks Handy ging, war die Sicherheit des dunkelblauen Ford Escort in akuter Gefahr. Aufgeregt fingerte Erik über die Tastatur seines Handys, bis er den grünen Knopf gefunden hatte.
    Die Stimme seines Assistenten erklang über die Freisprecheinrichtung: »Moin, moin. Müssen Sie denn ausgerechnet heute nach Hamburg fahren?«
    »Sie wissen doch, Sören, meine Schwiegermutter …«
    »Ja, ja, aber wir brauchen Sie hier.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Eine Leiche. In Kampen.« Sören Kretschmer war auf Sylt geboren worden und genauso wortkarg wie sein Chef.
    »Ermordet?«, fragte Erik.
    »Sieht so aus. Anscheinend erdrosselt.«
    Erik warf einen Blick zu Carolin, die erschrocken den Kopf einzog, während Felix seinen   MP3-Player in die Ecke warf. »Geil! Endlich passiert mal was auf Sylt! Wer hat das getan?«
     »Wann können Sie zurück sein?«, wollte Sören wissen.
    Erik Wolf warf einen Blick auf die Uhr. »Schwer zu sagen, Sören. Wenn der Flieger pünktlich ist, landet er in einer Viertelstunde. Aber er kann ja auch Verspätung haben. Und dann noch das Warten auf die Koffer, anschließend die Rückfahrt … Nein, es ist wohl am besten, Sie fahren ohne mich zum Tatort. Ich kann meine Schwiegermutter ja auch nicht gleich allein lassen, wenn wir wieder in Wenningstedt angekommen sind.«
    »Das werden Sie wohl müssen.«

2
    Erik sagte sich später, dass er seine Schwiegermutter wohl deshalb nicht gleich erkannt hatte, weil er nicht nach einer Frau in männlicher Begleitung Ausschau gehalten hatte, sondern nach einer hilflos wirkenden Person, die, wenn nicht allein, so höchstens in Begleitung einer fürsorglichen Stewardess war. Aber natürlich hatte er Mamma Carlotta auch deswegen nicht auf den ersten Blick erkannt, weil sie sich stark verändert hatte. Männer mögen es nicht, wenn eine Witwe nach der ersten Trauer aufblüht, vielleicht wollte er deswegen von der positiven Veränderung seiner Schwiegermutter nichts wahrhaben. Eine italienische Mamma von sechsundfünfzig Jahren war eine alte Frau, zumindest in Umbrien, und seine Schwiegermutter war ihm nie anders als alt erschienen. Nun jedoch beobachtete er durch die Glasscheibe staunend die forsche, lebhafte Person, die in Begleitung eines eleganten Herrn zum Gepäckband schritt, während sie sich höchst angeregt mit ihm unterhielt. Die Witwe Capella sah mindestens zehn Jahre jünger aus als die Ehefrau Capella. Die war gut zehn Kilo schwerer gewesen, hatte niemals ein Blümchenkleid getragen, sondern sich nur in schwarze Stoffe gehüllt, hatte die Haare im Nacken zu einem Knoten gedreht und sich niemals um Lockenwickler und Lippenstift gekümmert. Beides schien nun jedoch zu ihrer Ausstattung zu gehören.
    Der römische
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