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Die Rettung

Titel: Die Rettung
Autoren: Julianne Lee
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das, was die Zukunft bringen würde, meist eher als Bürde denn als Segen empfunden. Doch in einem Punkt war er froh darüber; da er wusste, dass die gälische Sprache über kurz oder lang verboten werden würde, konnte er seine Kinder schon jetzt zweisprachig aufwachsen lassen, was ihnen in ihrem späteren Leben nur von Nutzen sein konnte. Er bückte sich, um das Plaid seines Sohnes zurechtzuzupfen, und fragte sich, ob sich Ciaran absichtlich nie richtig anzog. Immer blieb etwas, was sein Vater für ihn richten musste. Die rosigen Wangen des Jimgen röteten sich noch stärker. Unsicher nestelte er an seinem Umhang herum.
    »Warum bist du denn schon so früh auf, Junge?«
    Ciaran brauchte einen Augenblick, um die Frage zu verstehen, dann antwortete er: »Ich möchte, dass du mir Kung Fu beibringst.« Er unterstrich seine Bitte, indem er einen Handkantenschlag imitierte. Dylan kauerte sich vor ihn hin, sodass er sich auf Augenhöhe mit ihm befand.
    »Glaubst du, dass du schon groß genug dafür bist?«
    In Ciarans Augen spiegelte sich die gleiche Begeisterung wider, die Dylan oft bei seinen kleinen Schülern in Tennessee gesehen hatte, wenn sie die ersten Unterrichtsstunden erhielten. Der Junge nickte heftig. »Och, tha! Aye! Bring es mir bei, Pa!«
    Dylan überlegte kurz. Mit seinen vier Jahren war Ciaran alt genug, und es konnte nichts schaden, wenn er lernte, so zu kämpfen wie sein Vater. »Gut, dann wollen wir anfangen.« Er richtete sich auf und führte seinen Sohn in die Mitte des Hofes. »Stell dich hier hin.« Dann blickte er nochmals zu dem Hügel im Osten hinüber.
    Der Dragoner hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
    Dylan hätte zu gerne gewusst, was er eigentlich im Schilde führte.
    Seufzend wandte er sich wieder Ciaran zu, kniete sich auf den Boden und sagte auf Gälisch, das der Junge besser verstand als Englisch: »Gut, Sohn, und jetzt setzt du die Füße so ...« Er richtete die kleinen Füßchen parallel nach vorne aus und schob sie schulterbreit auseinander. »Zuerst musst du die korrekte Grundhaltung lernen. Erst wenn du die beherrscht, können wir weitermachen. Du stehst zwar schon seit drei Jahren auf deinen eigenen Füßen und machst deine Sache sehr gut, trotzdem musst du alles vergessen, was du bisher gelernt hast, und mir gut zuhören.«
    Ciaran nickte ernst, und Dylan begann den Unterricht, indem er seinem Sohn erklärte, welche Haltung man einnehmen musste, damit einen der Gegner nicht so leicht zu Fall bringen konnte. Sowie Ciaran begriffen hatte, worum es ging und sobald es ihm gelang, das Gleichgewicht zu halten, brachte Dylan ihm einige einfache Stöße und Schläge bei. Obwohl kleine Jungen immer bettelten, zuerst die Tritte lernen zu dürfen - Ciaran bildete da keine Ausnahme -, bestand Dylan darauf, mit den Stößen anzufangen. Arm strecken; Faust mit der Handfläche nach unten halten; Stoßfaust mit Handfläche nach oben in Hüfthöhe; gestreckten Arm anziehen und zur Hüfte führen; gleichzeitig Stoßfaust nach vorne stoßen und dabei drehen. Und nochmal. Von rechts nach links wechseln. Rücken gerade kalten und zustoßen, ohne sich dabei nach vorne zu beugen. »Ohne dich vorzubeugen, habe ich gesagt.« Ciaran korrigierte seine Haltung, und Dylan nickte. »Balach mhath.« Guter Junge. Ciaran blickte flüchtig auf und grinste, dann fuhr er fort, eifrig in die Luft zu boxen.
    Dylan beendete die erste Unterrichtsstunde bald, denn er wusste, dass Ciaran nur bei der Sache bleiben würde, wenn er sich am Ende einer Stunde schon auf die nächste freute. Der Junge zeigte sich aufgeweckt, stellte sich geschickt an und ließ sich ohne Murren belehren, wenn er einen Fehler gemacht hatte. Vor allem zwang sich Dylan, während des Unterrichts nicht zu lächeln, damit Ciaran nicht dachte, er lache ihn aus; allerdings fiel ihm das schwer. Es bereitete ihm eine immense Freude, seinem kleinen Sohn die Dinge beizubringen, die er selbst am besten konnte.
    Schließlich beendete er den Unterricht mit der Mahnung, dass ein vermiedener Kampf ein gewonnener Kampf wäre und dass Blut nur dann vergossen werden sollte, wenn es sich nicht vermeiden ließe. Jungen in Ciarans Alter brannten nach ihren Unterrichtsstunden meist darauf, ihre neu erlernten Fähigkeiten an Altersgenossen zu erproben, daher schärfte Dylan seinem Sohn ein, sich nach Möglichkeit immer nur zu verteidigen und niemals einen Menschen grundlos anzugreifen.
    Sarah und ihre Söhne kamen den Weg entlang, der nach Ciorram führte, und
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