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Die Muse des Mörders (German Edition)

Die Muse des Mörders (German Edition)

Titel: Die Muse des Mörders (German Edition)
Autoren: Sarah Wedler , Nadine d'Arachart
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sein Lachen hatten so gar nicht zu dem aufstrebenden Anwalt passen wollen. Gerade das hatte ihn interessant für sie gemacht. 
    Als sie heute das Krankenzimmer betrat, rief sein Anblick ihr schmerzlich ins Gedächtnis, dass der Krebs ihm nichts von dieser Leichtigkeit gelassen hatte. Sein Körper war ausgemergelt und verschwand fast vollständig unter der Decke. Sein Gesicht, das immer jugendlich auf sie gewirkt hatte, war zum Antlitz eines Greises geworden, mit eingefallenen Wangen und umschatteten Augen, die beinahe in den Höhlen verschwanden. Sie kam sich albern vor in ihrer frühlingshaften Aufmachung. 
    Sie ließ sich auf den Stuhl neben dem Krankenlager ihres Freundes fallen und verbannte die Erinnerungen an die Vergangenheit aus ihrem Kopf. Ohnehin schien es ihr, als rase die Zeit mit jedem schönen Erlebnis schneller davon.
    Vorsichtig griff sie nach Pauls Hand und erschrak über die Kälte, die seine Finger überzogen hatte. Der Zugang, der in seiner Haut steckte und ihn über eine Kochsalzlösung mit den nötigsten Nährstoffen versorgte, wirkte viel zu groß. Neben seinem Bett piepste der Herzmonitor, der Pauls Vitalfunktionen überwachte, und unter der Decke ragte ein Schlauch hervor. Darin floss gelbliche Flüssigkeit, die in eine große Glasflasche unterhalb des Bettes lief. Es war Wasser, das sich in seinem von der Krankheit zerfressenen Bauch angesammelt hatte. Behutsam drückte Madeleine Pauls Hand, doch er zeigte keine Reaktion. 
    Wie eine Schwester ihr am Telefon mitgeteilt hatte, war er heute noch nicht wach geworden. Sie hatte nicht besonders optimistisch geklungen, jedoch hatte Madeleine auch nicht darum gebeten, etwas vorgemacht zu bekommen. 
    Seit seiner Einlieferung in die Klinik wurde Paul mit Morphium behandelt und das starke Medikament kostete ihn immer häufiger das Bewusstsein. Wenigstens spürte er so die Schmerzen nicht, die der Krebs verursachte, der seinen Magen verschlossen hatte und nun in Leber und Lunge tobte. 
    Zwei Mal war er in den Monaten seit der Diagnose operiert worden. Mit Chemotherapie und Bestrahlung hatten die Ärzte versucht, den aggressiven Tumoren etwas entgegenzusetzen, aber Paul war gleich zu Beginn der Behandlung offen zu Madeleine gewesen. 
    »Das wird nicht wieder. Ich spüre das.« Seine Worte hallten in ihrem Kopf wider und es nagte an ihr, dass sie nichts für ihn tun konnte. Nichts, außer da zu sein.
    Madeleine griff mit der freien Hand nach einem der Bücher, die den Nachttisch bedeckten und lächelte wehmütig. Sie konnte sich an keine ihrer Lesungen erinnern, bei der Paul nicht in der ersten Reihe gesessen hatte. Von nun an würde niemand mehr da sein, der all die Anspielungen verstand, die sie stets in ihren Geschichten versteckte. 
    Sie schlug die zerlesene Ausgabe ihres ersten Romans auf. Das Lesezeichen klemmte im letzten Drittel und ein Satz war vor langer Zeit mit Kugelschreiber unterstrichen worden. Mittlerweile verblasste die Linie und schien mit dem Papier zu verschmelzen. Sie würde an dieser Stelle anfangen. 
    »Die Liebe ist eine Leidenschaft, die sich nichts anderem beugt, der sich hingegen alles andere unterwirft«, las sie und ihre geübte Stimme übertönte das Fiepen des Kardiografen. Sie hoffte, dass ihre Worte zu Paul durchdrangen und dass die Erinnerungen, die sie mit sich brachten, nicht zu schmerzhaft für den Sterbenden waren. Er war nie ein Mensch gewesen, der in der Vergangenheit lebte, doch jetzt, da ihm nichts außer Erinnerungen blieb, konnte er vielleicht von ihnen zehren. Noch einen kleinen Rest Glück aus ihnen schöpfen wie ein Verdurstender, der sich mit ausgestreckter Zunge die letzten Tropfen Wasser in den Mund perlen ließ. Madeleine blickte kurz auf und redete sich ein, dass Pauls Züge sich ein wenig entspannt hatten. 
     
     

9.
    Mit jeder Sekunde, die das Gespräch mit dem Theaterregisseur andauerte, wuchs Dominiks Abscheu gegen Künstler aller Art. Er hatte mit dem Pack von Traumtänzern und selbstgefälligen Egozentrikern noch nie etwas anfangen können, doch Thomas Steigermann setzte seinem Hass die Krone auf. Allein das Apartment des Regisseurs schrie förmlich nach Aufmerksamkeit. An den Wänden hingen verzerrte Aktbilder, die ihn selbst zeigten, blau auf gelbem Seidenpapier. Geschaffen von einem Maler, dessen Namen Dominik nicht kannte. Er konnte sich gut vorstellen, dass die Proportionen an der einen oder anderen Stelle nicht ganz der Wahrheit entsprachen. Künstlerische Freiheit zugunsten eines
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