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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman
Autoren: Konrad Hansen
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sind aus Glas, mein ganzer Körper ist aus Glas. Ich wage nicht, mich zu rühren, weil ich Angst habe, ich könnte zersplittern, weißt du? Hier, fühl meine Hand.«
    Sie war kalt und schlaff. Die Hand eines Toten, dachte Björn.
    »Andere verrotten, wenn sie gestorben sind. Ich bin zu Glas geworden«, sagte der König. »Willst du so freundlich sein und den Leuten erzählen, Harald Blauzahn sei zu Glas geworden?«
    »Das werde ich tun, Herr«, versprach Björn.
    »Es steht schlimm um mich, nicht wahr?« fragte der König plötzlich mit klarer Stimme.
    »Ja, Herr.«
    »Ich habe alles gehört. Laßt mich hier. Es kommt auf das gleiche hinaus, ob ich hierbleibe oder fliehe, Björn Bosison.«
    In jenem Augenblick geistiger Klarheit, erzählt Björn, habe König Harald Bues Absicht durchschaut. Dennoch habe er sich nicht gesträubt, als Bue ihn von seinem Lager gezerrt und sich wie einen Sack über die Schulter geworfen habe.
    Es war kurz nach Mitternacht, als sie aufbrachen. Sie tappten durch ein Gewirr dunkler Gänge, bis sie zu einer Treppe gelangten, die in engen Windungen zu einer eisenbeschlagenen Tür hinabführte. Bue schob die schweren Riegel zurück und öffnete sie. Einige tangbewachsene Stufen tiefer war ein Steg, und an diesem dümpelte ein flacher Kahn.
    Das Boot schien einem Fischer zu gehören, denn am Bug lag ein Bündel alter Netze. Auf dieses setzte Bue den König. Er selbst ließ sich auf der Ruderbank nieder und bedeutete Björn, im Heck Platz zu nehmen. Dann stieß er den Kahn vom Steg ab. Geräuschlos glitt er auf das im Mondlicht flimmernde Haff hinaus. Bald darauf wurden sie von einer Brise erfaßt; kleine Wellen plätscherten gegen die Bordwand, und das Boot drehte sich langsam, bis es dem Wind seine Breitseite zukehrte. Die Jomsburg versank hinter einem Wald aus verkrüppelten Bäumen; meerwärts ragten die Masten der dänischen Langschiffe über einen sanft geschwungenen Dünenrücken empor.
    »Worauf wartest du noch, Bue?« hörte Björn den König fragen.
    Bue antwortete nicht. Er legte die Riemen aus und ruderte das Boot mit kurzen Schlägen. Am Kielwasser sah Björn, daß er mehrfach den Kurs wechselte, einmal sogar ein Stück in die Richtung zurückfuhr, aus der sie gekommen waren. Wollte er mögliche Verfolger täuschen oder durch zielloses Umherrudern Zeit gewinnen?
    König Harald sprach leise vor sich hin. Von Jelling sprach er und den Steinen, die er für Gorm und Thyra gesetzt hatte, von Treulosigkeit und Verrat war die Rede, und mehr als einmal vernahm Björn den Namen dessen, dem er die Schuld an seinem Unglück gab. Dann richtete er sich auf und sagte: »Hallgerd wollte nicht schwanger werden, sooft ich sie auch beschlief. Da flößte ihr Thyra einen Trank ein, und so kam es, daß sie den Zwerg gebar. Er ist aus Hexensud entstanden, nicht aus meinem Samen. Ja, so muß es sein. Der Zwerg, der sich Sven Gabelbart nennt, ist nicht mein Sohn.«
    Ein Möwenschwarm flatterte vom nahegelegenen Ufer auf und wirbelte kreischend zum Wald hinüber. Bue zog die Riemen ein und lauschte mit halbgeöffnetem Mund. Jemand mußte die Möwen aufgescheucht haben.
    Nun geschah etwas, was Björn mit jener eigentümlichen Erstarrung erlebte, in die ein Angsttraum den Träumenden zu versetzen pflegt. Bue zieht eine Eisenstange unter der Ruderbank hervor. Sie ist armlang und muß sehr schwer sein, denn er braucht beideHände, um zum Schlag auszuholen. Harald streckt ihm abwehrend eine Hand entgegen. »Nimm dein Schwert dafür, Bue«, sagt er. »Erschlag mich nicht wie einen Hund.« Die Eisenstange trifft ihn mitten auf den Kopf. Mit einem dumpfen Knall zerbirst die Schädeldecke; aus Nase und Ohren quillt blutiger Brei. Die Finger seiner emporgereckten Hand krümmen sich zu einer Kralle, während der Körper des Sterbenden wie unter Fieberschauern zu zittern beginnt. Ein zweiter Schlag zerschmettert ihm den Brustkorb. Pfeifend entweicht die Luft aus seinen Lungen. Dann ein Röcheln. Dann Stille.
    Bue der Dicke wandte sich zu Björn um. Auf seiner Stirn glitzerten Schweißtropfen. »Jetzt ist Sven Gabelbart rechtmäßig König von Dänemark«, sagte er.
    Björn spürte, wie eine kalte Wut in ihm aufstieg. »Warum hast du ihn umgebracht?« preßte er hervor. »Hätte es nicht genügt, ihn den Dänen auszuliefern?«
    »Sven wird es mir zu danken wissen, daß ich es übernahm, den Alten aus dem Weg zu räumen«, entgegnete Bue der Dicke. »Denn nun kann er seine Hände in Unschuld waschen.«
    Plötzlich sah
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