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Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Titel: Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya
Autoren: P. B. Kerr
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Sie jedermanns Gedanken lesen?«, fragte Philippa.
    Ja.
    »Ich möchte nicht, dass man meine Gedanken liest«, stellte My fest. »Es gibt einige Dinge, die für eine englische Dame unantastbar und privat sind.«
    Der Mönch führte die Besucher in einen großen Saal, wo er sich verbeugte und ihnen mitteilte, dass der Hohe Lama von ihrer Anwesenheit wisse und bald mit ihnen reden werde. Dann ließ er sie in bequemen Sesseln neben einem speisesaalartigen Tisch zurück, auf dem eine große Vase mit gelben Blumen, etwas Tee und selbst gebackenes tibetisches Gebäck standen.
    Der Saal hatte in etwa die Größe einer ansehnlichen Kathedrale. Die hohen Wände waren mit alten Gemälden bedeckt, von denen ein Großteil Szenen aus einem Tibet darstellte, das es, dank der chinesischen Armee, außerhalb der Mauern von Shamba-La vermutlich nicht mehr gab. An der Seite thronte in einem Alkoven eine goldene Buddha-Statue. Der Buddha hatte lockiges blaues Haar und trug Lippenstift, und obwohl er neun oder zehn Meter hoch war, schien sein Gewand aus echter gelber Seide zu sein.
    »Wow!«, sagte John. »Ich wette, der Buddha ist aus echtem Gold.«
    »So ist es«, sagte Nimrod. »Aber hier oben ist Gold nur ein Metall wie alle anderen und von keinem besonderen Wert.«
    Verwirrt vom Anblick der geometrischen Fußbodenmuster, schüttelte Philippa den Kopf. »Wie lange gibt es diesen Ort schon?«, wollte sie wissen.
    »In den Aufzeichnungen von Joseph Rock heißt es, dass sich seit dem Jahr 996 ein Kloster an dieser Stelle befindet«, sagte Nimrod. »Nur wenige Westler haben es je gesehen und es geschafft, davon zu berichten.«
    »Sind wir denn in Gefahr?«, fragte My, auch wenn sie nicht klang, als ob sie ihm eine positive Antwort glauben würde.
    »Keineswegs«, sagte Nimrod. »Nicht durch die Menschen, die hier leben. Was ich gemeint habe, ist, dass die meisten Reisenden, die so weit vorgedrungen sind, es vorzogen, hierzubleiben. Und nach dem, was John uns über die Nazis erzählt hat, scheint klar zu sein, dass die Zeit hier ihre Bedeutung verliert, wenn man lange genug dableibt. Was es einem unmöglich macht, wieder fortzugehen, wie ich vermute.«
    »Fortgehen?« Mr   Swaraswati schüttelte stumm den Kopf. »Auf keinen Fall.«
    »Findet es noch jemand seltsam«, sagte John, »dass wir uns so hoch im Himalaya befinden, aber nirgendwo ein Feuer brennt und es hier trotzdem warm und behaglich ist? Es fühlt sich an wie in einem Luxushotel.«
    »Jedenfalls besser als im El Moania in Fès«, sagte Philippa.
    John lachte. »Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.«
    »Ich wünschte, das könnte ich auch«, sagte Philippa.
    »Es ist komisch«, sagte Silvio, »seit ich hier bin, fühle ich mich gleichzeitig entspannt und belebt. Als ob ich ganz lange Urlaub gemacht hätte.«
    »Das Gleiche habe ich auch schon gedacht«, gestand My. »Wenn man mir jetzt ein Kreuzworträtsel aus der
Times
vorlegen würde, könnte ich es mit Sicherheit in fünf Minuten lösen.« Sie sah auf die Uhr.
    »Mein Leben lang«, fuhr Silvio fort, »hat man mich Pechvogel genannt. Aber hier kommt es mir unmöglich vor, an Pech zu glauben. Ich habe immer versucht, mich als Glückspilz zu betrachten. Jetzt glaube ich es wirklich. Vielleicht war das größte Glück, das mir je widerfahren ist, hierherzukommen.«
    »Ich persönlich«, sagte Mr   Swaraswati und wackelte mit dem Kopf, »habe das Gefühl, dass dies die Endstation ist.« Er zuckte die Schultern. »Aber auf eine schöne Art und Weise. Das hier ist ein guter Ort, kein schlechter. Das letzte Mal habe ich mich so gefühlt, als ich in der erleuchteten Gegenwart des Tirthankars war, in Faizabad. Ich spüre hier eine gewaltige Energie.«
    »Das hoffe ich«, sagte John. »Deswegen sind wir schließlich hergekommen.« Er lächelte vielsagend.
    »Was?«, fragte Philippa.
    »Ich habe mich gefragt, wie lange es wohl dauern würde, sämtliche Bücher in dieser Bibliothek zu lesen, und mir überlegt, es vielleicht zu versuchen.«
    »Das muss an der Höhe liegen«, sagte Philippa. »Er kriegt nicht genug Sauerstoff. Ich wüsste nicht, wie er sonst auf die Idee kommen könnte, so etwas zu sagen. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, welches Buch er zuletzt gelesen hat, und ich möchte wetten, dass er es auch nicht weiß.«
    »Genau deshalb habe ich es wahrscheinlich gesagt«, meinte John. »Dieser Ort strahlt etwas aus, das absolut alles möglich erscheinen lässt.«
    »Es ist merkwürdig«, gab Philippa zu, »aber aus
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