Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
Vom Netzwerk:
zuwandte.
    Bemerkt hatte sie all die Schmähungen schon lange, aber nicht sehen mögen, einfach nicht wahrhaben wollen. Böse Ahnungen ins Hinterstübchen der Erinnerung verdrängt und den Schlüssel weggeworfen, denn ihr Kopf war wund vom Grübeln, vom Deuteln. So wund wie die Füße, die sie nun blutig gelaufen hatte, auf der Flucht vor dem Greifsburger, der danach trachtete, ihr persönlich den Strick des Henkers um den Hals zu legen. Mechanisch zog sie den durchlöcherten Schal aus ihrer Kitteltasche, legte ihn um das aufgedunsene Doppelkinn. Ihr schauderte.
    Ungeachtet der wie von Messerstichen traktierten Füße, stützte sie sich mit der Krücke auf dem ausgetretenen Trampelpfad ab, ächzte und setzte humpelnd ihren Weg fort. Doch sie hatte sich kaum hundert Meter weitergeschleppt, als ein aus dem Hinterhalt geschleuderter Knüppel vor ihr zu Boden fiel, sie straucheln und der Länge nach hinstürzen ließ. Sekunden später sah sie sich umringt von einer Horde Straßenjungen, die Grimassen zogen, im Kreis um sie herumhüpften und ihr Spottlied grölten:
     
    „Eins, zwei, drei, die Hexe hinkt vorbei,
    kann nicht fliehen, kann nicht rennen,
    muss am Scheiterhaufen brennen!“
     
    Steine flogen durch die Luft, verfehlten Rubina um Haaresbreite. Mit Stöcken und Astschleudern bewaffnet, schubsten sich die Burschen gegenseitig in ihre Richtung, kamen näher und näher. Voll Panik schrie Rubina in den Wald hinein: „Pavor! Pa vor! Zu Hilfe! Schnell!“
    Aus dem Dunkel der Bäume schoss der Rabe hervor. Mit wütendem Flügelschlag flatterte er auf die Jungen zu. Erschrocken wichen sie vor dem angriffslustigen Untier zurück.
    „Pick ihnen die Augen aus, Pavor! Spalte dem Lumpenpack die Schädel!“, kreischte Rubina. Und der Vogel nahm pfeilschnell Kurs auf die weit aufgerissenen Pupillen der Burschen. Aufheulend nahm die Bande Reißaus.               
    „Gut gemacht, Pavor“, lobte Rubina das Tier und streichelte ihm das Gefieder. Stolz warf es den Kopf zurück, krächzte: „Gut gemacht.“
    Seit Jahren war Pavor treuer Gefährte der Hebamme, ließ sie nie im Stich. Rubina hatte ihn gesund gepflegt, als er von seinen Geschwistern aus dem Nest gestoßen worden war, mit einem gebrochenen Flügel auf dem Moos vor ihrem Haus davonzurobben versuchte und kläglich nach seinen Eltern piepte.
    Er hatte sich dankbar gezeigt, sogar, seiner Retterin zuliebe, das Sprechen erlernt. Zärtlich schmiegte er seinen Körper an ihre Schulter, wollte sie dadurch ermuntern, aufzustehen. 
    „Ach Pavor, lieber Pavor. Ich schaffe es nicht, mich zu erheben. Bin zu schwerfällig“, schnaufte die Alte. Ob der Vogel sie verstanden hatte? Er legte den Kopf schief und plärrte gellend: „Isabella! Hierher!“
    Wie einer Tarnkappe entledigt, tauchte das Ebenbild der jungen Rubina auf, kniete sich neben die Mutter, half ihr unter enormer Kraftaufbietung auf die Beine, hievte sie auf einen Baumstumpf. Sanft legte sie eine Hand auf deren Nacken.
    „Was war das wieder für ein dummer Streich im Schloss der Fürstin?“, tadelte sie, ohne auf den soeben geschehenen Vorfall einzugehen. „Wenn du so weitermachst, wird es ein böses Ende nehmen.“
    „Kein dummer Streich, Isabella. Ich wollte dich meiner Freundin vorstellen, damit sie sich für dich einsetzt, wenn ich nicht mehr bin. Dass sie so närrisch auf deine Tanzkünste reagierte, dich mit mir als Jugendliche verwechselt e, konnte ich nicht voraussehen.“
    „Trotzdem hättest du dich nicht wie eine Diebin davonschleichen dürfen, als sie die Augen schloss. Ich hatte Mühe, zu begreifen, dass du sie einfach auf dem Bärenfell liegenlassen hast. Wäre fast von einem der Bediensteten erwischt worden, als ich dir folgte.“
    „Wie sah denn der Bedienstete aus?“
    „Nun ja. Ich hatte nicht viel Zeit, ihn zu betrachten, als er wie ein Berserker auf mich zustürmte. Erinnere mich aber daran, dass er lang und dürr war, mit scharf geschnittenen Zügen, eng stehenden verschlagenen Augen und einer hässlichen Narbe, die im Zickzack über die linke Gesichtshälfte verlief. Sie muss ziemlich frisch sein, glühte korallenrot.“
    „Das war kein Bediensteter, Töchterchen, sondern Eberhard von Greifsburg, Kürassier des Grafen von Grimmshagen, meinem Erzfeind. Vor ihm bin ich geflohen, als ich ihn im Spiegel des Nebenraumes, in dem ich mich während deines Tanzes aufhielt, in voller Lebensgröße gewahrte. Sonst hätte ich dich im Anschluss an deine Vorführung meiner lieben

Weitere Kostenlose Bücher