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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze
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äußerst erbittert. Ich erklärte ihm, er sei ein Narr, wenn er sich auf einen Handel mit einer solchen Kreatur einlasse, noch dazu mit einer Kreatur, deren Macht unaufhaltsam wachse — und ich würde mich lieber selbst töten, als zuzulassen, daß er seinem Königreich so etwas antue. Ich habe mein Leben lang die Machenschaften der Herrscher von Xis beobachtet, Briony. Ich habe gesehen, wie Tuan und ein Dutzend anderer xandischer Reiche in Ketten vor den Falkenthron geschleift wurden, und es heißt, dieser Autarch sei der schlimmste seines ganzen verrückten Geschlechts. Kendrick hingegen war sich sicher, daß der einzige Weg, dem Autarchen langfristig Widerstand zu leisten, darin bestünde, unter der Führung Eures Vaters ein Verteidigungsbündnis der nördlichen Territorien zu schmieden — und Hierosol und die übrigen dekadenten Städte des Südens aufzugeben. Ein Dämonshandel, sagte ich — ein Handel, bei dem nur der Dämon gewinnen kann. Vor trunkenem Zorn, Verzweiflung und, wie ich gestehen muß, auch Ekel bin ich schließlich ... bin ich einfach gegangen. Auf dem Gang begegnete ich Anissas Zofe — ich nahm an, daß Kendrick sie gerufen hatte. Sie war hübsch und hatte einen auffordernden Blick, also habe ich mir nicht viel dabei gedacht.«
    Ein Gedanke überfiel Briony.
Kendrick sagte doch: »Isss ...« Er konnte sich nicht an den Namen des Mädchens erinnern. Er nannte sie »Anissas Zofe« oder »Anissas Dienerin«, als er ... als er starb.
Es war zu gräßlich, um länger darüber nachzudenken, und außerdem wollte sie sich nicht ablenken lassen. »Ihr sagt, Ihr seid einfach gegangen, Shaso. Aber als wir Euch gefunden haben, wart Ihr voller Blut!«
    »Als wir uns stritten, als ich gegen seine Torheit anwütete, habe ich ... das Messer gegen mich selbst gerichtet. Ich habe ihm erklärt ... Oh, Briony, Mädchen, es ist mir schrecklich, daß das die letzten Worte waren ... die letzten Worte, die ich zu ihm gesagt habe.« Eine ganze Weile schien es, als könnte er nicht weitersprechen. Als er es dann doch tat, war seine Stimme noch rauher. »Ich habe Eurem Bruder erklärt, ich würde mir eher die Arme abschneiden, diese Arme, die seinem Vater so lange gedient hatten, als sie einem so verräterischen Sohn dienen zu lassen. Ich würde mir das Messer ins Herz stechen. Ich war betrunken — sehr betrunken inzwischen und sehr wütend. Ich hatte es an jenem Abend nicht aushalten können, Dawet dan-Faar am Tisch gegenüberzusitzen, ohne zu trinken, und so hatte ich schon einige Becher Wein hinabgestürzt, ehe ich ins Gemach Eures Bruders ging. Im Dunkel meiner Zelle habe ich mich so oft dafür verflucht. Kendrick versuchte mir das Messer zu entwinden. Er war außer sich vor Wut, daß ich ihm so heftig widersprach, daß ich seine Strategie nicht nur in Zweifel zog, sondern offen schmähte und ihn dazu. Wir rangen um das Messer, und dabei zog ich mir noch mehr Schnittwunden zu. Er schnitt sich wohl auch, aber nur leicht. Schließlich kam ich wieder zur Besinnung. Er schickte mich weg, ließ mich — bei meiner Schuld seinem Vater gegenüber — schwören, kein Wort über das Geschehene zu sagen, ganz gleich, wie ich über seine Pläne dachte.
    Und ich hätte auch — selbst nachdem Ihr mich befreit hattet — nie darüber geredet, was er vorhatte, der arme Kendrick — einen so schändlichen Handel mit dem verfluchten Autarchen ...« Wieder mußte Shaso innehalten. Er hätte Briony beinah leid getan, aber es war einfach zuviel, sich von allen verraten zu fühlen — von Shaso, weil er so stur geschwiegen hatte, und von ihrem Bruder, weil er sich eingebildet hatte, klüger zu sein als ihr Vater, weil er sich zum König aufgeschwungen hatte, ehe er die nötige Weisheit erlangt hatte, weil er sich dazu verstiegen hatte, einen so großen und mächtigen Feind manipulieren zu wollen. »Ich ... ich bin in meine Gemächer zurückgekehrt«, fuhr Shaso fort. »Ich habe noch mehr Wein getrunken, um es alles wegzuspülen. Als Ihr kamt, um mich verhaften zu lassen, dachte ich, Kendrick wäre immer noch wütend auf mich, weil ich ihn beleidigt hatte, oder ich wäre vielleicht so betrunken gewesen, daß ich ihn bei unserem Handgemenge verletzt hatte, und jetzt würde ich dafür eingesperrt — wieder zum Sklaven gemacht, nach all den Jahren. Erst später wurde mir klar, was passiert war.«
    »Aber warum habt Ihr uns nichts gesagt, Ihr törichter Narr?«
    »Was hätte ich denn sagen können? Ich hatte Eurem Bruder vor seinem Tod
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