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Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing

Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing

Titel: Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing
Autoren: Alfred Bekker
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auf den Weg geachtet. Jetzt sah ich um so interessierter heraus.
    "Sag mal, wohin entführst du mich denn heute Abend?"
    "Komisch, bei Tag war das viel leichter zu finden..."
    "Soll das heißen, dass du dich verfahren hast?"
    "Aber, Patti!"
    "Es war ja nur eine Frage..."
    "Ich bin mir sicher, richtig abgebogen zu sein, aber..." Er sprach nicht weiter.
    "Was ist los?", fragte ich.
    "Nichts... Vielleicht suchst du doch mal den Stadtplan aus dem Handschuhfach. Meine Güte, ich hätte nie gedacht, dass ich den so bald wieder brauche! Schließlich lebe ich doch schon eine ganze Weile hier!"
    "Und ich bin hier aufgewachsen", gab ich zu bedenken.
    "Trotzdem verfahre ich mich noch mindestens einmal pro Woche!"
    "Du Ärmste!"
    "Du meinst, wenn man sich im Regenwald Südostasiens zurechtfindet, kann einem das nicht passieren, ja?" Wir lachten beide. Aber es war kein fröhliches, befreites Lachen. Es wirkte seltsam gequält. Irgend etwas stimmte nicht, auch wenn noch keiner von uns es offen auszusprechen wagte. Ich spürte ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend. Eine leichte Gänsehaut legte sich über meine Unterarme.
    Irgend etwas geht in diesem Augenblick vor sich!
    Ich spürte es ganz deutlich.
    Tom fuhr die Straße entlang, die immer schlechter und schmaler wurde. Das Kopfsteinpflaster war teilweise lückenhaft. Und an den Rändern brach es schroff ab. Diese Straße sah nicht gerade so aus, als wäre sie von einem Meister seines Fachs geschaffen worden...
    Die Häuser wirkten seltsam grau und in den Mauern zeigten sich im Licht der Scheinwerfer Risse, in die sich Moos gesetzt hatte. Die Häuser waren alt. Selten handelte es sich um mehrgeschossige Bauten.
    Nirgends gab es noch eine Beleuchtung.
    Wir ließen die Häuser hinter uns.
    Zu beiden Seiten der schmalen Straße war nichts als Finsternis. Der Mond war hinter einer dunklen Wolke verschwunden.
    Ich blickte mich um. Das Lichtermeer der nahen City... Wo war es geblieben?
    Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. Aber so sehr ich auch in die Schwärze dieser unheimlichen Nacht blickte - ich konnte nicht ein einziges Licht erkennen. Keine Autobahn, auf der sich die Lichtpunkte wie Perlen an einer Schnur aufreihten. Nicht die regelmäßigen Muster aus sternähnlichen Gebilden, bei denen es sich um die Fenster großer Wolkenkratzer und Bürotürme handelte. Nicht das pulsierende Flackern von Neonreklame, die rund um die Uhr in Betrieb war.
    "Mein Gott, wo sind wir hier?", fragte ich.
    "Bei der nächsten Tankstelle werde ich mal nachfragen", erklärte Tom.
    Aber es kam keine Tankstelle mehr.
    Es kam zunächst einmal überhaupt nichts. Kein Gebäude, kein Straßenschild, kein anderes Fahrzeug. Der Pferdemist auf dem Pflaster verwunderte mich zwar etwas, war aber noch kein Zeichen, das Besorgnis in mir auslöste.
    Erst später sollte ich begreifen.
    Wir fuhren in eine große schwarze Wand aus purer Dunkelheit hinein. Nebel kroch die Straßenböschung empor und waberte über das unebene Pflaster.
    "Tom, lass uns umdrehen!", forderte ich. Angst stieg langsam in mir auf. Das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte, verstärkte sich. Ich fragte mich, was es war, fand aber keine Erklärung. Verwirrung herrschte in mir. Vor meinem innere Auge sah ich das Antlitz der bleichen Lady.
    Es lächelte.
    Und in ihren stahlblauen Augen blitzte es auf eine Weise, die mir nicht gefiel.
    Dieses Traumbild stand nicht länger als den Bruchteil einer Sekunde vor meinem inneren Auge und doch erschreckte es mich bis tief ins Mark.
    "Sofort anhalten, Tom!"
    "Aber, Patti!"
    "Tom!"
    "Ich verspreche dir, dass ich drehe, sobald ich die Gelegenheit dazu habe. Irgendwann muss ja mal eine Abzweigung oder so etwas kommen."
    Aber auch die kam nicht.
    "Tut mir leid, Patti, aber ich glaube, wir sind hier wirklich nicht richtig...", gestand Tom dann ein. "Seltsam... Wir sind hier doch immer noch in London, aber man sieht buchstäblich... nichts!"
    Der einzige Trost war mir in diesem Moment, dass ich nicht die einzige war, die das merkwürdig fand.
     
    *
     
    Tom stellte den Wagen am Straßenrand ab. Wir stiegen aus und sahen uns etwas um. Tom leuchtete mit einer Taschenlampe, die er aus dem Handschuhfach geholt hatte in der Umgebung herum. Aber viel war auch so nicht zu erkennen. Der Strahl schien von der allgegenwärtigen Finsternis verschluckt zu werden.
    Wir lauschten in die Nacht hinein.
    Wir hörten nichts, als den Ruf einer Eule. Ansonsten herrschte eine geradezu gespenstische Stille.
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