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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa
Autoren: Ulf Schiewe
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zurück, aber Arnaut achtete nicht auf ihren Streit, denn in diesem Augenblick traf ihn ein Blick aus strahlend blauen Augen, der aus unerfindlichen Gründen ihm zu gelten schien und dem er sich nicht entziehen konnte. Es hatte gewiss nicht länger als den Flügelschlag eines Schmetterlings gedauert, trotzdem kam es ihm wie eine halbe Ewigkeit vor, bevor die junge Frau die Augen senkte. Etwas hatte ihn im Innersten getroffen und darin ein Gefühl ausgelöst, wie er es noch nie erlebt hatte. Benommen stand er da und spürte, wie ihm die Röte in die Wangen stieg.
    »Das ist Ermengarda«, sagte die Marktfrau mit einem nachsichtigen Lächeln auf den Lippen, als sie sah, wohin er starrte. »Ist sie nicht schön, junger Herr? Von ihr singen schon die
trobadors.
«
    »Was der eitlen Stiefmutter nicht gefallen dürfte«, lachte
Maistre
Bernat.
    »Wer ist sie?«, fragte Arnaut benommen.
    »
Vescoms
Aimerics älteste Tochter«, antwortete die Marktfrau. »Man sieht sie nicht oft bei solchen Anlässen. Es wundert mich, dass sie heute ihre Stiefmutter begleitet.«
    »Sie ist die eigentliche Erbin«, ergänzte
Maistre
Bernat. »Und zudem im heiratsfähigen Alter. Wundern tät es mich nicht, wenn bald die ersten Freier kämen. Von Arle bis Barcelona, welche Familie würde nicht ihren Sprössling mit der schönen Ermengarda vermählen wollen? Wer sie kriegt, wird der nächste Herrscher von Narbona.«
    »Ich hoffe, sie trifft eine gute Wahl«, sagte die Marktfrau.
    »Da wird sie wohl kaum gefragt werden. Der Graf von Tolosa und der Erzbischof werden es bestimmen.«
    »Aber die
vescomtessa
wird schon ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben«, rief die Marktfrau und lachte kurz auf. »Den Nächstbesten wird sie gewiss nicht zum Schwiegersohn nehmen.«
    »La Bela?«
Maistre
Bernat zog geringschätzig die Luft durch die Nase. »Die wird es eher so drehen, dass niemand herrscht, außer sie selbst. Die wird doch nicht für ihre Stieftochter abtreten.«
    »Ach, was redet Ihr für dummes Zeug,
Maistre
Bernat. Überhaupt,
Domna
Ermengarda ist doch noch ein halbes Kind,
mon Dieu!
Kaum älter als ihre Schwester.«
    Wie ein Kind kam sie Arnaut aber nicht vor, auch wenn ihr dunkles Haar noch unverhüllt und jungfräulich zu einem langen Zopf geflochten war und sie in einem eher schlichten Gewand steckte. Unbeachtet von der Menge, stand sie zwei Schritt hinter ihrer Stiefmutter. Nein, ein Kind bestimmt nicht, dennoch kam sie ihm ein wenig verloren vor, als gehöre sie nicht hierher. Auch ihr Gesichtsausdruck war ernst, fast teilnahmslos.
    Arnaut hoffte, sie würde noch einmal zu ihm herüberschauen, aber stattdessen verfolgte sie die Andachtsvorbereitungen der Priester. Er war enttäuscht. Doch gleich schalt er sich einen Narren, hatte eine
donzela
ihres Ranges gewiss Besseres zu tun, als einen wie ihn anzustarren. Ihr Blick war gewiss nur zufällig gewesen, oder ganz und gar seiner Einbildung entsprungen.
    Immer noch strömten Teilnehmer des Umzugs durch das Tor auf den Platz, reiche Kaufleute und ihre Familien, wie man an der Kleidung erkennen konnte. Die wenigen Soldaten der
militia urbana
bildeten einen schützenden Ring um die Fürstenfamilie und überließen es den Tolosaner Söldnern, die Menge in Schach zu halten. Trotzdem wurde es immer enger. Der Erzbischof machte schon eine ungeduldige Handbewegung in Richtung der Soldaten. Sie sollten den Priestern doch endlich mehr Raum verschaffen.
    Der
capitan
der Söldner brüllte Befehle, und die Männer nahmen die Schilde hoch und drängten die Menschen damit rücksichtslos zurück. Die in der ersten Reihe strauchelten und stürzten auf die Dahinterstehenden. Schreie der Entrüstung füllten den Marktplatz. Einer, der seine Frau schützen wollte, warf sich gegen den Schild eines Soldaten und erhielt dafür eine gepanzerte Faust ins Gesicht. Ein alter Mann lag am Boden und versuchte, unter den Stiefeln der
pezos
wegzukriechen, als ihn mit Wucht das stumpfe Ende eines Speerschafts in den Rücken traf. Schreiend und die Arme zum Schutz um den Kopf geschlungen, lag er zusammengekrümmt am Boden.
    Auch in Arnauts Umgebung zwängten sich die Leute enger zusammen, die Pferde wurden unruhig, warfen die Köpfe hoch und wieherten. Arnaut und Severin hatten alle Mühe, die Tiere zu beruhigen, und Jori musste sich an den Sattel klammern, um nicht unter die Hufe zu stürzen.
    »Verfluchtes Tolosaner Pack!«, brüllte
Maistre
Bernat. »Benehmen sich, als hätten sie uns unterworfen.«
    Er war nicht der
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