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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja
Autoren: Waldemar Bonsels
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zu einem Todesschlaf niedergelegt. Da flog Maja so hoch empor in die Luft als sie konnte. Es galt für sie nur eines: sie mußte so rasch als ihre Kräfte und Sinne zuließen, den Stock der Ihren finden, ihr Volk, ihre bedrohte Heimat. Sie mußte die Ihren warnen, daß sie sich gegen den Überfall rüsten konnten, den die furchtbaren Räuber an diesem Morgen planten. O, das Volk der Bienen war stark und wohl befähigt, den Kampf mit den überlegenen Gegnern aufzunehmen, wenn sie sich wappnen konnten und zur Verteidigung vorbereiten. Niemals aber, wenn sie überrumpelt und im Erwachen überfallen wurden. Wenn die Königin und die Soldaten noch schliefen, dann würde es ein furchtbares Morden geben und viele Gefangene, und der Erfolg der Hornissen war gewiß. Und nun, da die kleine Biene an die Kraft und die Stärke der Ihren dachte, an ihre Todesbereitschaft und ihre Treue gegen die Königin, überkam sie ein hoher Zorn gegen die Feinde und zugleich ein beseligter Opferwille und ein beglückender Mut ihrer begeisterten Liebe.
    Es war nicht leicht für sie, sich in der Umgegend zurechtzufinden. Sie hatte sich schon seit lange nicht mehr auf jene Art das Land gemerkt, wie die anderen Bienen es gewohnt waren, die immer von weiten Ausflügen mit ihrer Honigtracht zum Stock zurückfinden mußten.
    Ihr war, als sei sie noch niemals so hoch in der Luft gewesen, wie nun, die Kühle tat ihr weh, und sie konnte die einzelnen Gegenstände drunten kaum noch deutlich unterscheiden. Worauf soll ich mich verlassen, dachte sie, ich habe keinen Anhalt und werde den Meinen keine Hilfe bringen können. »Ach, hier war nun die beste Gelegenheit, alles gutzumachen,« seufzte sie in ihrer Angst, »was soll ich tun?« Aber plötzlich trieb es sie mit heimlichen Mächten unwiderstehlich nach einer bestimmten Richtung hin. Was ist es nur, das mich drängt und zieht, dachte sie, es muß mein Heimweh sein, das mich führt. Und sie überließ sich diesem Gefühl und flog so rasch sie konnte gradeaus. Und plötzlich brach sie in helles Jubeln aus, dort schimmerten fern wie graue Kuppeln aus der Dämmerung die Baumkronen der großen Linden des Schloßparks. Nun wußte sie sich zurechtzufinden und augenblicklich ließ sie sich bis dicht über die Erde nieder. Sie sah auf den Wiesen zur Seite die hellen Nebelstriche wieder dichter und dachte an die Blumenelfen, die dort getrost und selig ihren frühen Tod starben. Das füllte ihr das Herz aufs neue mit Zuversicht, und ihre Angst verlor sich. Mochten die Ihren sie wegen ihrer Flucht aus dem Reiche verachten, mochte die Königin sie strafen, wenn nur ihr Volk von dem furchtbaren Unheil verschont blieb, das ihm drohte.
    Dort schimmerte schon dicht an der langen Steinmauer die Blautanne, die die Bienenstadt der Ihren gegen den Westwind schützte, und nun sah sie die bekannten Fluglöcher, die roten, blauen und grünen Tore ihrer Heimat leuchten. Ihr Herz schlug so stürmisch, daß sie glaubte, ihr Atem müßte ihr vergehn, aber sie hielt aus und steuerte grade auf den Eingang des roten Tors zu; dort führte es zu ihrem Volk und zu ihrer Königin.
    Als sie sich auf dem Flugbrett vor dem Tore niederließ, vertraten ihr die beiden Wächter den Eingang und ergriffen sie sogleich. Maja konnte in ihrer Atemlosigkeit anfangs kein Wort hervorbringen, und die Wachen machten Miene, sie zu töten. Denn es ist den Bienen bei Todesstrafe verboten, in eine fremde Stadt zu dringen ohne den Willen der Königin.
    »Zurück!« rief der Wächter und stieß sie rauh vor sich her, »was kommt Ihnen in den Sinn?! Wenn Sie nicht augenblicklich umkehren, ist es um Sie geschehen.« Und dem anderen Wächter zugewandt, sagte er: »Ist dir schon einmal so etwas vorgekommen, und noch dazu vor Tagesanbruch?«

    Da rief Maja das Losungswort ihres Volks, woran alle Bienen die Ihren erkannten, und die Wächter ließen sie augenblicklich los.
    »Was ist das?!« riefen sie, »du bist eine der Unsrigen, und wir kennen dich nicht?«
    »Laßt mich vor die Königin,« stöhnte die kleine Maja, »gleich, rasch, es droht großes Unheil.«
    Die Wächter zögerten noch, sie verstanden nicht, was vor sich ging.
    »Die Königin darf nicht vor Sonnenaufgang geweckt werden«, sagte der eine von ihnen.
    Da schrie Maja so laut und leidenschaftlich, wie die beiden wohl niemals eine Biene haben schreien hören:
    »So erwacht die Königin vielleicht nie mehr zum Leben! Der Tod folgt mir auf dem Fuß.« Und sie fügte so wild und zornig hinzu: »Ihr sollt
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