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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden
Autoren: Moritz Uslar
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gekriegt. Nur wegen deiner Optik.«
    Rampa: »Wir waren eigentlich alles Arschlöcher. Wir waren intolerant. Wir haben keine anderen Leute akzeptiert. Wir haben auch die jüngeren Skins verprügelt, weil wir von den älteren auch auf die Fresse bekommen hatten.«
     
    Ich fragte, weil ich wusste, dass jene Unterscheidung wichtig war, als was sie sich damals empfunden hätten: als Skinheads oder als Nazis.
    Raoul: »Wir waren Skinheads.«
    Rampa: »Wenn uns einer Nazi genannt hat, haben wir gesagt: ›Freundchen, mein Opa war Nazi, Hitler war ein Nazi, aber wir sind Skinheads. Wir verstehen was von Musik, von Partys, von Style.‹«
    Hatten sie, hatten Raoul, Eric und Rampa jene klassische Skinhead-Uniform getragen, also Glatze, Hosenträger,
    Fliegerjacke?
    Raoul: »Ja, schon.«
    Rampa: »Domestos-Jeans.«
    Eric: »12-Loch-Stiefel mit weißen Schnürsenkeln.«
    Rampa: »Glatze oder so einen schwulen Fassonschnitt.«
     
    Ich ließ mir schildern – auch, wenn es widerlich und genauso aufregend widerlich klingen konnte –, wie Skinhead-Sein in jenen Nazizeiten im Alltag stattgefunden hatte: was man da konkret getrieben hatte. Raoul: »Man hat vor allem dumm rumgelabert. Aktionen gab es wenige. Man ist vielleicht mal auf eine Kundgebung gefahren.«
    Rampa: »Am Anfang waren wir eher Oi. Bad Manners, Ska, deutsche Bands wie Bodycheck, For Skins. Man ist dann durch andere Skins in die rechte Szene rein geraten.«
    Raoul: »Es gab Rechtsanwälte, Ärzte, Unternehmer in der Szene. Das Gemeinschaftsgefühl war das wichtige Ding.«
    Rampa: »Fußball, Ficken, Alkohol.«
    Raoul: »Auffallen, hart sein, Partys feiern.«
    Eric: »Die Partys waren das Geilste gewesen in der Zeit. Volllaufen lassen. Die Bierdosen sich gegenseitig an den Kopp schmeißen. So richtig: Hau druff.«
    Rampa: »Die Stiefel waren massiv. Die ganze Optik war massiv. Du bist durch die Stadt gelaufen und hast eine Gänsehaut bei den Leuten erzeugt. Das war schön. Die Leute sind uns aus dem Weg gegangen. Die Leute haben ihre Kinder auf die andere Straßenseite gezogen.«
    Raoul: »Du dachtest, sie hätten Respekt vor dir. Es war aber kein Respekt, es war nur Angst.«
    Rampa: »Wir waren schon schlimm. Aber so ganz schlimm – so richtig, richtig schlimm –, das waren wir nicht, das waren die anderen.«
    Eric: »Wir haben keine Döner-Buden abgefackelt oder so was. Das nun wirklich nicht.«
    Rampa: »Da gab es Schlimmere.«
    Raoul: »Wir haben nie Menschen gejagt. Wir haben den Tod von Menschen nie billigend in Kauf genommen.«
     
    Wie hatte es damals um ihre politische Ausrichtung gestanden?
    Raoul: »Mit Parteien haben wir es nie gehabt. Die NPD fanden wir dämlich, die DVU und Republikaner auch.« Waren sie gegen die Demokratie? Raoul: »So ein Quatsch.«
    Eric: »Das habe ich vergessen.«
    Rampa: »Natürlich waren wir gegen die Demokratie. Aber auch gegen Sozialismus. Und gegen Produkte aus Amerika. Und gegen Vati und Mutti. Wir waren gegen alles.« Haben die Skinheads Raoul, Eric und Rampa etwas gegen Ausländer gehabt?
    Der Reporter fragte: »Konkret: Habt ihr geglaubt, dass euch die Ausländer die Arbeit wegnehmen und dass der Staat für eure Arbeitslosigkeit Verantwortung trägt, weil er Ausländer ins Land lässt?«
    Eric: »Das haben wir geglaubt.«
    Raoul: »Natürlich haben wir das geglaubt. Der Spruch war: ›Scheißausländer‹, na klar.«
    Rampa: »Die Toten von Rostock und Mölln, das hat man damals aus einer ganz anderen Perspektive gesehen. Man dachte: Krasse Maßnahme. Aber immerhin, die verscheuchen die Ausländer. Heute sieht man: Die sind verbrannt, das war ein elender Tod, den die gestorben sind.«
    Raoul: »Das Verrückte war: Es gab bei uns in Oberhavel ja kaum Ausländer. Es hat in unserer Stadt bis heute nicht einen Türken, nicht einen Araber gegeben. Aber die Türken, das haben wir echt geglaubt, nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Man hat das einfach so gesagt. Wir sind, auf eine Art, natürlich auch verrückt gewesen.«
    Rampa: »Hast du in Berlin einen türkischen Maurer gesehen, dann hast du dich wieder bestätigt gefühlt. Dass du dir selber keine Arbeit suchst, weil du lieber saufen gehst, gut, das hast du damals irgendwie schon geahnt.«
    Die Teller waren leer.
    Die Gläser waren halb leer.
    Schnell die nächste, schon die dritte Runde Biere, bitte.
    Danke, Heiko.
     
    Es war zwanzig Minuten lang – zwanzig ernste und anstrengende Minuten lang – darüber gesprochen worden, wie die Jungs Raoul, Eric und Rampa, die
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