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Des Todes Liebste Beute

Des Todes Liebste Beute

Titel: Des Todes Liebste Beute
Autoren: Karen Rose
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füreinander.«
    Abe sah zuerst weg. Er klimperte mit den Autoschlüsseln. »Ich muss jetzt eben rüber zum Staatsanwalt.« Er war schon an der Tür angelangt, als Spinelli ihn zurückhielt.
    »Abe, ich habe Ihre Akte gelesen. Sie haben Glück gehabt, dass Sie diese letzte Ermittlung lebend überstanden haben.«
    Abe zuckte die Achseln. Das schien sein Schicksal zu sein. Glück zu haben. Immer wieder. Wenn sie nur wüssten … »Tja, wie mir scheint, haben Mitchell und ich doch ein paar Gemeinsamkeiten.«
    Spinellis Kiefer spannten sich an. »Mia hat versucht, ihren Partner zu decken. Sie aber haben den Ruf, ein paar Risiken zu viel einzugehen.« Spinelli musterte ihn mit ernstem Blick. »Tun Sie mir den Gefallen und lassen Sie Ihre Todessehnsucht draußen. Ich möchte nicht noch einmal zu Besuch auf einem Begräbnis sein. Weder von Ihrem noch von Mias.«
    Leichter gesagt als getan. Aber da Abe wusste, was von ihm erwartet wurde, nickte er steif. »Ja, Sir.«

Mittwoch, 18. Februar, 20.00 Uhr
    K risten drückte wütend auf den Fahrstuhlknopf. Schon wieder verließ sie das Büro so spät. »Jetzt schwing deinen Hintern bloß nach Hause«, murmelte sie. John hatte gesagt, er wolle, dass sie morgen frisch und ausgeschlafen war, aber er hatte mit ihr auch noch einmal »rasch einen Fall durchgehen« müssen. Und so hatte, genau wie jeden Abend, eins zum anderen geführt. Und genau wie jeden Abend verließ sie das Büro, nachdem alle anderen schon fort waren – John eingeschlossen. Sie verdrehte die Augen, als sie sah, dass zwei Glühbirnen in dem Flur, der ihre Büros mit den Aufzügen zum Parkhaus verband, durchgebrannt waren. Sie holte ihr Diktiergerät aus der Tasche.
    »Notiz an den Hausmeister«, murmelte sie ins Mikrofon. »Zwei kaputte Glühbirnen am Fahrstuhleingang.« Lois würde diese Notiz mitsamt den anderen zwanzig, die sie in den letzten drei Stunden aufgenommen hatte, hoffentlich tippen und weiterleiten. Lois weigerte sich nie … sofern es jemandem gelang, ihre Aufmerksamkeit auf die eigenen Anliegen zu richten. Alle Staatsanwälte hatten ein riesiges Kontingent an Fällen zu bearbeiten, und jede Bitte, die von der Special Investigation Unit kam, bedeutete eine Frage auf Leben und Tod. Leider Gottes hatten Kristens Fälle meistens mit dem Tod zu tun. Was den größten Teil ihres Lebens auffraß. Nicht dass sie ein großartiges Leben hatte. Sie seufzte. Hier stand sie vor dem Fahrstuhl zum Parkhaus, wie üblich allein und wie üblich beinahe zu erschöpft, um sich groß daran zu stören.
    Sie ließ den Kopf nach vorn sinken und dehnte die Muskeln, die von den Stunden, die sie über den Akten gebrütet hatte, verspannt und hart geworden waren. Plötzlich jedoch richteten sich die Härchen in ihrem Nacken auf. Etwas an dem muffigen Geruch im Flur hatte sich verändert.
Erschöpft ja, aber nicht allein.
Jemand anderes war hier. Instinkt, Training und die nur allzu vertrauten Erinnerungen, die augenblicklich in ihr Bewusstsein strömten, ließen sie nach dem Pfefferspray in ihrer Tasche tasten, während ihr Puls zu jagen begann und ihr Verstand verzweifelt versuchte, sich daran zu erinnern, wo der nächste Notausgang war. Dann holte sie tief Luft und wirbelte herum, die Spraydose fest in der erhobenen Hand. Sie würde fortlaufen, ja, aber wenn es sein musste, würde sie sich auch verteidigen.
    Sie hatte nur einen Sekundenbruchteil, um den Anblick des Riesen zu verarbeiten, der mit verschränkten Armen hinter ihr stand und die Anzeige über der Aufzugtür beobachtete. Im nächsten Moment packte er ihr Handgelenk, und sein Blick bohrte sich in sie.
    Blaue Augen, hell wie eine Gasflamme, aber kalt wie Eis. Er hielt ihren Blick fest. Sie schauderte, konnte aber nicht wegsehen. Irgendetwas an den Augen kam ihr vertraut vor, doch der Mann selbst war ein Fremder. Er schien den ganzen Flur auszufüllen, und seine breiten Schultern schirmten das spärliche Licht ab, sodass sein Gesicht im Schatten lag. Sie suchte in ihrer Erinnerungen nach einem Hinweis darauf, wo sie ihn zuvor gesehen haben mochte; sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemanden von seiner Größe und Präsenz vergessen hätte.
    Selbst im Zwielicht wirkte sein Gesicht hart und kantig, die Züge geprägt von innerer Trostlosigkeit. Sein Kinn war kräftig, der Zug um den Mund kompromisslos. Kristen hatte jeden Tag mit Menschen zu tun, die viel Leid durchgemacht hatten, und sie wusste instinktiv, dass dieser Mann ebenfalls solche Erfahrungen
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