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Der Weg des Feuers

Der Weg des Feuers

Titel: Der Weg des Feuers
Autoren: Christian Jacq
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es sie von ihrem Schicksal ablenkte?
    Eine kräftig stupsende Eselsschnauze erinnerte sie daran, dass sie das Schiff verlassen musste. Isis lächelte Nordwind an, der sie mit seinen großen kastanienbraunen Augen ansah. Die beiden hatten sich auf Anhieb verstanden. Das kräftige Grautier litt sehr unter der Trennung von seinem Herrn Iker und hatte bei dieser sanften, freundlichen jungen Frau Trost gefunden. Jeder konnte die Gedanken des anderen lesen, und keiner von beiden machte sich etwas vor: Die Aussicht, dass der Königliche Sohn dieses Abenteuer überleben würde, war verschwindend gering.
    Den ersten Wachposten passierten sie ohne Schwierigkeiten. Die Soldaten kannten Isis und freuten sich, sie wiederzusehen. War es in Abydos ohne sie nicht ein wenig trübsinnig gewesen?
    Dafür kam es dann beim zweiten Wachposten zu einer Reaktion, von der die junge Priesterin nicht überrascht war. Die Wachleute waren kurz davor, sie festzunehmen, einer konnte seine Entrüstung nicht verhehlen.
    »Wie könnt Ihr nur einen Esel nach Abydos bringen…?!
    Einen Esel, das Tier von Seth! Seht nur seinen Hals: Er hat ein Büschel rotes Fell! Dieses Tier verkörpert den Geist des Bösen! Ich werde sofort den Kahlen verständigen.«
    Geduldig wartete Isis auf ihren Vorgesetzten.
    Zum Oberhaupt der ständigen Priester von Abydos ernannt, war der Kahle der offizielle Stellvertreter des Pharaos und traf keine Entscheidung ohne die ausdrückliche Zustimmung des Monarchen. Dieser barsche, unnachgiebige und geradlinige Mann um die sechzig war mit der Bewachung der Archive vom Haus des Lebens beauftragt und verließ das Reich des Osiris nie. Er machte sich nichts aus Ehrbekundungen und duldete keinen Fehler bei der Erfüllung der Rituale. Für ihn gab es nur ein einziges Leitwort: Strenge. Deshalb ahndete er jeden Verstoß gegen die Regel, auch wenn noch so gute Entschuldigungen vorgebracht wurden.
    »Ein Esel mit einem Büschel roten Fells«, sagte er erstaunt.
    »Du überraschst mich immer wieder, Isis!«
    »Iker, der Königliche Sohn, hat mir seinen Esel Nordwind anvertraut. Er soll einen Stall in der Nähe meines Arbeitsplatzes bekommen und wird den heiligen Bereich nicht stören.
    Gehört es nicht auch zu unseren Aufgaben, die Macht von Seth zu beherrschen? Dass der Esel eine seiner Verkörperungen ist, will ich gar nicht bestreiten. Aber die Priesterinnen der Hathor sind doch dazu aufgefordert, sein Feuer zu befrieden?«
    »Seth wurde dazu verdammt, Osiris auf seinem Rücken zu tragen«, gab der Kahle zu. »Kann sich dieses Tier denn ruhig verhalten?«
    »Davon bin ich fest überzeugt.«
    »Beim ersten Zeichen von Ungehorsam, beim kleinsten Geschrei muss er hier weg!«
    »Hast du das verstanden?«, fragte Isis den Vierbeiner. Zum Zeichen seines Einverständnisses stellte Nordwind sein rechtes Ohr auf.
    Der Kahle murmelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin und kraulte dem Esel den Kopf.
    »Bring ihn in seinen Stall und suche mich dann im Tempel von Sesostris auf.«

    Der Tempel der Millionen Jahre, den der König hatte bauen lassen, war dazu bestimmt, ka auszusenden und so die magische Verteidigung des Lebensbaums zu verstärken. Es war ein mächtiges Bauwerk mit einer Umfassungsmauer und einem Pylon am Eingang. Der Tempel war mit einer bis ins Detail durchdachten Kanalisationsanlage ausgestattet, über die die Wasser der rituellen Reinigungen abfließen konnten, und sein gewaltiges Viereck, zu dem eine gepflasterte Straße führte, wirkte wie ein Hüter der Wüste.
    Isis betrat den Innenhof, der von einem Säulengang umgeben war, und begab sich in den überdachten großen Saal. Dort herrschte vollkommene Stille, in der das Wort der Götter wohnte, denen der König opferte. An der Decke war der Sternenhimmel zu sehen.
    Der Kahle stand in Andacht versunken vor einem Basrelief, auf dem Osiris dargestellt war.
    »Was hast du bei deinen Nachforschungen in der großen Bibliothek von Memphis herausgefunden?«, fragte er die junge Frau.
    »Unsere Vermutungen haben sich bestätigt: Nur das allerreinste Gold tief aus dem Inneren des göttlichen Gebirges kann die Akazie heilen.«
    »Wir brauchen es außerdem unbedingt für die Feier der großen Mysterien. Ohne dieses Gold wäre das Ritual nur noch leere Worte und Osiris würde nicht auferstehen.«
    »Es ist auch das wahre Ziel unserer Feinde«, meinte Isis.
    »Obwohl General Sepi tot ist, lässt der Pharao verstärkt nach dem Gold suchen, aber kein Mensch weiß, wo die goldene Stadt
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