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Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Titel: Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
Autoren: Dietrich Faber
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mich entschieden, dass das, was in der Polizeiakte steht, die Wahrheit ist. Es ist auch meine Wahrheit geworden. Der Doppelmörder wurde gefasst, starb kurz darauf in Haft und fertig. Alles andere bleibt Privatsache. So sehe ich das. So will ich es sehen. Und zwar für meine Frau Franziska, für meine Tochter Melina, für meinen Sohn Laurin und für mich, Henning Bröhmann, der sich in diesem Moment auf den Weg zurück zur Schule, zurück zu Frau Dr. Ellen Murnau macht, um sich vermutlich dafür beschimpfen zu lassen, dass er den Steineschmeißer von Schotten nicht mit bloßen Händen zu fassen bekommen hat.

    «Diese Saukerle, links und rechts gehört dene eine mitgegebe, dass den Hör’n und Seh’n vergeht! Und was macht ihr mit dene? Ihr dut die zum Bsüscholoche stecke, wo sie dann verhätschelt wer’n!», quäkt mich mit nasaler Stimme Uwe Niespich an, während er die restlichen Scherben im Büro der Schuldirektorin beseitigt. «Hab isch rescht, oder hab isch rescht?»
    Uwe Niespich ist der Hausmeister der Schule. Er bewegt sich irgendwo in einem Alter zwischen 25 und 60 und hat tatsächlich einen grauen Kittel an. Und ich dachte, nur mittelmäßige Kabarettisten tragen heute noch graue Kittel, wenn sie dem «Volk aufs Maul schauen» und mal wieder einen Hausmeister auf der Bühne darstellen. Doch ich dachte ja auch, es gäbe keine Overheadprojektoren mehr. Es würde mich nun auch nicht mehr wundern, wenn ich gleich Matrizenblätter auf Frau Dr. Ellen Murnaus Schreibtisch entdeckte.
    Uwe Niespich brabbelt noch eine Weile weiter, wohl mehr mit sich, als an mich gewandt. Jedenfalls höre ich nicht zu, was ihm nichts auszumachen scheint. Ich sitze wieder wie vorhin auf dem Stuhl gegenüber dem Platz der Direktorin und warte auf die selbige. Sie wolle sich nach dem kleinen Schreck, wie sie selber sagte, noch ein wenig frischmachen und gleich zurück sein.
    «Sache Se doch mal jetzt ehrlisch», plärrt mir Hausmeister Niespich ins linke Ohr. «Jetzte mal ganz unter uns Priesterfrauen: Wie viel Prozent von dene Strafanfällischkeite, wird von …» – nun dämpft er seine Stimme und blickt verstohlen um sich – «… also, wie viele Verbreschereie werden von Netdeutschen … äh verbroche?»
    «Netdeutsche?», frage ich nach und stelle mich blöd.
    «Na ja, von dene Ausländä.»
    «1,3 Prozent, weltweit», antworte ich.
    «Sisste!», antwortet Niespich, ohne dass ich den Eindruck gehabt hätte, dass er meine Antwort gehört, geschweige denn verstanden hat, und verlässt mit dem Scherbeneimer das Büro.
    Die Minuten, in denen Frau Dr. Ellen Murnau noch auf sich warten lässt, nutze ich damit, etwas Sinnvolles zu tun, und notiere, was mir an Details vom Äußeren des mutmaßlichen Steinewerfers in Erinnerung geblieben ist. Schwarzer Kapuzenpulli und eine Mütze, die seinen Kopf vollständig verdeckt hatte, schmächtige Gestalt, maximal 1,60 groß, blaue Jeans …
    Dann betritt Frau Dr. Ellen Murnau in zackigem Tempo ihr Büro. Sie nimmt hinter ihrem Schreibtisch Platz, lächelt mir souverän zu und sagt: «Herr Bröhmann, ich finde das sehr aufmerksam von Ihnen, doch Sie hätten meinethalben gar nicht mehr wiederkommen müssen. Wir waren doch so weit durch, oder? Melina muss deutliche Signale setzen, um noch eine Chance zu haben. Vor allem in puncto Disziplin ist sie wieder …»
    «Verzeihung», unterbreche ich die Schulleiterin zaghaft, «ich bin jetzt eigentlich nicht mehr wegen meiner Tochter zurückgekommen. Ich möchte mit Ihnen über den Vorfall mit dem Stein sprechen.»
    «Ach das», sagt sie und lächelt gekünstelt wie eine Bundeskanzlerin, die Bundespräsidenten verteidigt, die sich von Multimillionären den ein oder anderen hübschen Urlaub bezahlen lassen. «Das ist doch längst vergessen. Da machen wir mal einen hübschen Haken dran.»
    Wo ist die kreischende Frau geblieben, die noch vor einer knappen Stunde unter dem Schreibtisch kauerte?
    «Wie meinen Sie das?», frage ich nach. «Sie wollen keine Anzeige erstatten? Sie wissen schon, dass der Stein Sie nur um Zentimeter verfehlt hat?»
    Die Schulleiterin stützt ihre Ellenbogen auf den Tisch, legt ihr Kinn auf die Fäuste und sieht mich an. Sie war bestimmt mal eine recht schöne Frau, denke ich, bevor so eine strenge, stracke Maskerade ihr gut fünfzig Jahre altes Gesicht prägte.
    «Was würde denn passieren, wenn ich Anzeige erstatte? Dann stünde morgen doch alles in der Zeitung. Es gäbe unnötige Aufregung bei den Eltern und
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