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Der Sensenmann

Der Sensenmann

Titel: Der Sensenmann
Autoren: Jason Dark
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heraus, was sie bedeuteten.
    Schritte…
    »O Gott, das ist er!« flüsterte Maria hektisch. »Ja, ja, so hat es immer begonnen mit ihm.«
    Lady Sarah gab ihr keine Antwort. Sie wollte sich nicht in ihrer Konzentration stören lassen. Noch immer behielt sie die große Freitreppe und deren Umgebung im Auge.
    Etwas trat und schleifte über den Kirchhof. Jemand bewegte sich von der Treppe weg. Es war zu dunkel, um ihn schon genau zu sehen, aber etwas fiel Lady Sarah schon bei dieser sehr hochgewachsenen Gestalt auf. Über der Schulter und auch über dem Kopf fiel ihr der matte Glanz auf, der dort wie ein Streifen in der Luft stand. Es war das Blatt der Sense. Das mußte es einfach sein, weil Maria davon gesprochen hatte.
    Die fremde Gestalt ließ sich durch nichts aufhalten. Sie schritt über den Hof hinweg, und auch ihre Schritte blieben gleich. Zuerst wurde der Fuß mit einem hörbaren Geräusch aufgesetzt, dann zog der Gehende die Füße über das Pflaster hinweg nach. Dabei verursachte er das schleifende Geräusch.
    Sarah Goldwyn blieb gelassen, trotz der unheimlichen Szenerie, die sich dort vor ihr aufbaute. Anders Maria. Sie war nervös und steckte plötzlich voller Angst. Sie bekam ihre Furcht auch nicht in den Griff, so daß Sarah ihren heftigen Atem hörte, der auch ihren Nacken und das Ohr streifte.
    Der Unheimliche ging weiter. Sarah behielt den Schatten genau im Blick. Er bewegte sich von der Treppe weg und kam in schrägem Winkel auf das Haus mit den Wohnungen zu. Das blanke Blatt der Sense begleitete ihn. Es schwebte über dem Kopf und der Schulter wie ein sichelförmiges, flaches Stück Eis.
    Auch Sarah war jetzt in den Bann des Unheimlichen gezogen worden. Sie zitterte nicht wie ihre Freundin, aber sie fühlte sich zugleich wie jemand, der auf dem Sprung stand. Ob hier dämonische Kräfte ihre Hände mit im Spiel hatten, konnte sie nicht sagen. Es war immerhin möglich, daß sich da jemand einen Scherz erlaubte, um die alten Leute zu erschrecken. Andererseits hatte es zwei Tote gegeben, und da hörte der Spaß auf.
    Die Gestalt ging sehr aufrecht. Ein Hüne. Einer, der genau wußte, was er wert war. Er scheute sich auch nicht, dem Lichtschein entgegenzuschreiten. Wenn er weiterging, würde er auch das Fenster der kleinen Wohnung erreichen, an dem die beiden Frauen standen. Je näher er kam, um so besser konnten ihn die beiden Frauen erkennen. Sarah mehr als ihre Freundin, denn die hatte sich sicherheitshalber zurückgezogen. Sie fürchtete sich zu sehr, was auch ihr hektischer Atem verriet.
    Die Füße traten hart auf, schleiften über das Pflaster, traten wieder hart auf…
    Ein immer gleiches Wechselspiel, in dem es keine Spur der Veränderung gab.
    Er war noch nicht an den Lichtschein herangetreten, trotzdem war Sarah in der Lage, ihn genauer zu sehen. Er war nicht nur schwarz. Die Kleidung besaß diese Farbe, aber dazwischen wirkte er heller. Das war sein Gesicht. Es wirkte fahl wie ein Spiegel, der einmal hätte gereinigt werden müssen. Uber dem Kopf breitete sich ein Schatten aus. Er hatte keinen natürlichen Ursprung, sondern stammte von der Kopfbedeckung. Sie mußte ein Hut sein, dessen Krempe teilweise nach unten gebogen war. Außerdem saß der Hut schräg und war dabei etwas in den Nacken geschoben worden.
    Er starrte nach vorn.
    Er sah die Fenster.
    Vielleicht suchte er sich bereits die Opfer aus. Auch Sarah spürte jetzt das kalte Gefühl, das sie erwischt hatte. Den langen Stiel der Sense hatte die Gestalt über die Schulter gelegt. Er wirkte wie ein Wanderer, der aus dem Reich der Schatten entlassen worden war.
    »Komm, Sarah, wir müssen weg hier vom Fenster und es auch schließen. Der will und töten…«
    »Warte noch…«
    »Was willst du denn?«
    »Ihn genauer sehen.«
    »Bist du lebensmüde?«
    »Nein. Aber du hast mich gerufen – oder?«
    »Ja, das schon. Nur… ich… ich… habe Angst. So einer wie der gehört nicht in unsere Welt, das weiß ich genau. Das ist kein Mensch…«
    Sie mußte recht haben, doch Sarah achtete nicht auf sie. Nur der Sensenmann war interessant für sie. Auch sie konnte sich jetzt nicht mehr vorstellen, daß da eine verkleidete Gestalt über den Hof schritt. Das war kein Faschingsscherz, diese Gestalt meinte es ernst. Sie warf nicht einmal einen Schatten. Sie war mächtig. Der gesamte Burghof schien nur ihr zu gehören, und sie näherte sich immer mehr der schwachen Lichtleiste vor den Fenstern.
    Die Krempe des Huts war nicht so tief in das Gesicht
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