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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf
Autoren: Liza Marklund
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Möbelstück. Er hatte es sich verdient. Dem Personal mit eiserner Faust zu begegnen hatte sich als der einzig richtige Weg erwiesen.
    Ich frage mich, ob ein anderer das auch geschafft hätte, dachte er und wusste, dass es außer ihm niemanden gab. Seine Kompetenz hatte den Ausschlag gegeben. Durch den Vertrag, den er mit der Druckerei ausgehandelt hatte, waren die Druckkosten um acht Prozent gesunken. Dies brachte der Eignerfamilie jedes Jahr Millionen. Die Konjunktur hatte die Papierpreise gedrückt, was wahrlich nicht sein Verdienst war, die günstige Entwicklung des Unternehmens jedoch noch beflügelte. Die Einstellung eines neuen Leiters für die Anzeigenabteilung hatte sich als ein Segen erwiesen. In den letzten drei Quartalen hatten sie Marktanteile von den großen Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen zurückerobert.
    Und wer hatte das alte Faktotum gefeuert, das immer noch so gearbeitet hatte, als würden sie Anzeigen in der Lokalzeitung von Boras verkaufen?
    Schyman lächelte vor sich hin.
    Doch am wichtigsten war trotz allem seine Weiterentwicklung der Verkaufssignale auf den Titelseiten und Aushängern. Er wollte ja den Tag nicht vor dem Abend loben, aber, toi, toi, toi, es sah ganz danach aus, als könnten sie die Konkurrenz im Laufe des nächsten Geschäftsjahres einholen, vielleicht auch erst im Jahr darauf.
    Der Chefredakteur streckte sich, massierte sein Kreuz. Zum ersten Mal seit seinem Arbeitsantritt beim
Abendblatt
empfand er wirkliche Genugtuung. So hatte er sich seine Arbeit von Anfang an vorgestellt.
    Zu dumm, dass es fast zehn Jahre gedauert hatte, bis er seine Vorstellungen verwirklichen konnte.
    »Kann ich reinkommen?«, fragte Annika Bengtzon über die Sprechanlage.
    Seine Stimmung verdüsterte sich, die Magie verpuffte, und er holte tief Luft, ehe er zu seinem Schreibtisch zurückging, auf den Antwortknopf drückte und »Sicher« sagte.
    Anschließend wartete er, den Blick auf das Gebäude der russischen Botschaft gerichtet, auf die energischen Schritte der Reporterin hinter der Tür. Die Erfolge der Zeitung hatten dazu geführt, dass er endlich den Respekt der Redaktion genoss, was er nicht zuletzt daran merkte, dass man ihm nicht mehr so die Tür einrannte wie früher. Zum Teil erklärte sich dies auch aus der Neuorganisation der Redaktion. Vier allmächtige Chefs vom Dienst lösten einander rund um die Uhr ab und waren sämtlichen Ressorts der Zeitung übergeordnet, was tatsächlich genau so funktionierte, wie er es sich vorgestellt hatte. Statt seine Position zu schwächen, hatte ihn das Verlagern von eigenen Kompetenzen auf untere Ebe nen im Organisationsgefüge paradoxerweise nur noch mächtiger werden lassen.
    Er hatte delegiert, und statt sich unaufhörlich mit dem gesamten Personal streiten zu müssen, übte er nun Einfluss auf seine Vasallen aus.
    Annika Bengtzon, der ehemaligen Leiterin der Kriminalredaktion, hatte er einen der vier Posten angeboten, doch sie hatte abgelehnt, woraufhin sie sich gehörig gestritten hatten. Schyman hatte ihr frühzeitig seine Absichten offenbart, er sah sie als eine von drei möglichen Nachfolgern und wollte sie schnell in ein langfristiges Entwicklungsprogramm einbeziehen. Chef vom Dienst zu werden wäre dabei ein erster Schritt gewesen, aber sie wollte nicht.
    »Ich kann Sie doch nicht mit der Peitsche zu Ihrem Glück zwingen«, hatte er gesagt und selbst gehört, wie beleidigt er klang.
    »Natürlich können Sie«, hatte sie erwidert, während ihre unergründlichen Augen ihn anflackerten. »Peitschen Sie mich ruhig.«
    Bengtzon war eine der wenigen, die nach wie vor glaubten, freien Zugang zu ihm und seinem Büro zu haben. Es ärgerte ihn, dass er sie nicht zurechtwies.
    Zum Teil war für ihre Sonderbehandlung der Medienrummel letztes Weihnachten verantwortlich, als eine verrückte Serienmörderin sie in einem Tunnel als Geisel genommen hatte. Der Vorfall hatte eindeutig dazu beigetragen, den Abwärtstrend der Zeitung zu brechen, das zeigten alle Analysen. Die Leser fanden zum
Abendblatt
zurück, nachdem sie die Artikel über die Nacht der zweifachen Mutter mit der Bombenlegerin gelesen hatten. Es war eine Zeit lang also durchaus berechtigt gewesen, Bengtzon mit Samthandschuhen anzufassen.
    Ihre Art, mit der Situation umzugehen, und die Aufmerksamkeit, die auf die Befreiung folgte, hatten sogar den Aufsichtsrat beeindruckt. Vielleicht weniger ihre Person als vielmehr die Tatsache, dass sie darauf bestanden hatte, die Pressekonferenz in der
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