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Der Pfad der Dolche

Der Pfad der Dolche

Titel: Der Pfad der Dolche
Autoren: Robert Jordan
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des Zeltes war so niedrig, daß Verin sich ducken mußte, um den Kopf hinauszustrecken. Schwäche vereinnahmte ihr Rückgrat, wenn sie sich bückte. Sie hatte keine Angst vor der Frau, die hinter ihr in einem rauhen schwarzen Gewand zitterte. Verin hielt den vor ihr aufgebauten Schild fest, und sie bezweifelte, daß Turanna im Moment genug Kraft in den Beinen hatte, sie von hinten anzuspringen, selbst wenn ihr solch ein unglaublicher Gedanke käme. Weiße dachten einfach nicht auf diese Art. Zudem war es angesichts Turannas Zustand zweifelhaft, daß sie in den nächsten Stunden schon wieder die Macht lenken könnte, selbst wenn sie nicht abgeschirmt wäre.
    Das Aiel-Lager bedeckte die Hügel, hinter denen Cairhien lag. Niedrige, erdfarbene Zelte füllten den Raum zwischen den wenigen Bäumen aus, die so nahe der Stadt belassen worden waren. Staubwolken hingen in der Luft, aber weder Staub noch Hitze noch der grelle Glanz einer zornigen Sonne kümmerten die Aiel. Geschäftigkeit und Zweckmäßigkeit ließen das Lager einer Stadt ähneln. In Verins Sichtfeld zerlegten Männer Wild und flickten Zelte, schärften Dolche oder verfertigten die weichen Stiefel, die alle trugen.
    Frauen kochten über offenen Feuern, buken Brot, arbeiteten an kleinen Webstühlen oder kümmerten sich um die wenigen Kinder im Lager. Überall eilten weiß gekleidete Gai'schain mit Lasten umher, klopften Teppiche aus oder kümmerten sich um Packpferde und Maultiere. Es waren keine Straßenhändler oder Verkaufsstände zu sehen. Und natürlich keine Karren und Wagen. Keine Stadt - es waren eher tausend an einem Ort versammelte Dörfer, obwohl weitaus mehr Männer als Frauen zu sehen waren und fast jeder Mann mit Ausnahme der Schmiede und jener, die weiß gekleidet waren, Waffen trug. Für die meisten Frauen galt dies ebenfalls.
    Die Anzahl der Menschen entsprach gewiß der Einwohnerschaft großer Städte, mehr als genug Menschen, um einige wenige Aes Sedai-Gefangene vollkommen einzuschließen, und doch sah Verin eine schwarz gewandete Frau keine fünfzig Schritte entfernt, die einen hüfthohen Stapel Steine auf einer Kuhhaut hinter sich herzog. Eine große Kapuze verdeckte ihr Gesicht, aber außer den gefangenen Schwestern trug niemand im Lager diese schwarzen Gewänder. Eine Weise Frau schlenderte dicht an der Kuhhaut vorbei und erglühte vor Macht, während sie die Gefangene abschirmte. Unterdessen flankierten zwei Töchter des Speers die Schwester und benutzten Gerten, um sie voranzudrängen, wann immer sie taumelte. Verin fragte sich, ob sie das hatte sehen sollen. Erst heute morgen war sie an einer wild dreinblickenden Coiren Saeldain vorübergegangen, welcher der Schweiß das Gesicht herablief. Sie wurde von einer Weisen Frau und zwei Aiel-Männern begleitet und ein großer, mit Sand gefüllter Korb beugte ihren Rücken, während sie einen Hang hinaufstolperte. Und gestern war es Sarene Nemdahl gewesen. Sie hatten ihr die Aufgabe zugewiesen, mit den Händen Wasser aus einem Ledereimer in einen anderen zu schöpfen, sie schlugen sie mit der Gerte, damit sie schneller arbeitete, und schlugen sie dann für jeden dadurch vergossenen Tropfen, daß sie geschlagen wurde, um schneller zu arbeiten. Sarene hatte Verin nach dem Warum gefragt, aber nicht so, als erwarte sie eine Antwort. Verin hatte natürlich auch keine Antwort geben können, bevor die Töchter des Speers Sarene wieder an ihre sinnlose Arbeit trieben.
    Sie unterdrückte ein Seufzen. Einerseits konnte sie nicht wirklich Gefallen daran finden, wenn Schwestern, aus welchen Gründen oder Notwendigkeiten auch immer, so behandelt wurden, und andererseits war es nicht zu übersehen, daß gewisse Weise Frauen wollten... Was eigentlich? Daß sie wußte, daß es hier nichts zahlte, eine Aes Sedai zu sein? Lächerlich. Das war schon vor Tagen überaus offensichtlich gewesen. Oder vielleicht, daß sie auch in ein schwarzes Gewand gesteckt werden könnte? Im Moment glaubte sie, zumindest davor sicher zu sein, aber die Weisen Frauen verbargen zahlreiche Geheimnisse, die sie noch aufdecken mußte und deren geringstes der Aufbau ihrer Hierarchie war. Das allergeringste Geheimnis, und doch beinhaltete dies das Überleben und eine heile Haut. Frauen, die Befehle gaben, nahmen manchmal auch Befehle von gerade jenen Frauen entgegen, denen sie zuvor Befehle erteilt hatten, und später wechselte dies dann wiederum ohne ersichtlichen Grund. Niemand befehligte jedoch jemals Sorilea - und darin lag vielleicht
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