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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
Autoren: Danielle Steel
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Doch darauf durfte sie nicht hoffen. Wahrscheinlich hatte ihre Märchenfee das Versprechen vergessen. Eine Weile wollte sie trotzdem noch ausharren, um wenigstens einen letzten Blick auf Marianne zu erhaschen. Als sie sich dazu entschloss, eilte plötzlich ihre Mutter in die Halle, suchte etwas und spürte sofort die Anwesenheit ihrer Tochter. Abrupt spähte sie am Kristalllüster vorbei nach oben und sah das Kind in seinem alten rosa Nachthemd am Treppenabsatz sitzen. Erschrocken sprang Gabriella auf die nackten Füße, stolperte und stürzte. Was ihr jetzt drohte, las sie mühelos in Mommys Augen.
    Schweigend stieg Eloise die Stufen hinauf, mit anmutigen, beschwingten Schritten, eine Botin aus der Hölle. Das schwarze Satinkleid schmiegte sich an ihre perfekte Figur und schimmerte wie das dunkle Haar, das sie zu einem straffen Knoten hochgesteckt hatte. Zu ihrem Halsband aus glitzernden Diamanten trug sie passende Ohrringe. So wie Mariannes Kleid und ihr Schmuck die Aura von Sanftmut und hellem Licht erzeugt hatten, schien Mommys Aufmachung ihre Grausamkeit zu betonen und schürte die Angst des Kindes.
    »Was treibst du hier?«, zischte Eloise. »Habe ich dir nicht verboten, dein Zimmer zu verlassen?«
    »Tut mir Leid, ich wollte nur ...«, begann Gabriella. Aber es gab keine Entschuldigung für ihr Vergehen. Sie hatte eine ganz besonders schwere Schuld auf sich geladen, Marianne Marks heraufgelockt und – noch schlimmer – die Tiara getragen. Wenn die Mutter das wüsste ... Glücklicherweise ahnte sie nichts.
    »Lüg mich nicht an!« Eloise umklammerte den Arm des Kindes so fest, dass sie den Blutkreislauf unterbrach und ein schmerzhaftes Prickeln bewirkte. »Sag kein Wort!«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zerrte ihre Tochter den Flur entlang, unbemerkt von den Leuten, die im Erdgeschoss ihre Gastfreundschaft genossen. Hätte irgendjemand die Szene beobachtet, wäre er vor Entsetzen verstummt. Als wäre ihr das bewusst, wisperte sie in scharfem Ton: »Wehe, wenn du auch nur einen Laut von dir gibst, du kleines Monster! Sonst reiße ich dir den Arm ab!«
    Dass sie diese Drohung wahr machen würde, bezweifelte Gabriella keine Sekunde lang. Mit ihren sieben Jahren hatte sie viele wertvolle Lektionen gelernt. Meistens bekam sie die Qualen, die ihr prophezeit wurden, auch zu spüren. In dieser Hinsicht war Verlass auf Eloise.
    Obwohl die kleinen Kinderfüße zeitweise vom Boden hochgehoben wurden und die Mutter den federleichten Körper halb zum Kinderzimmer trug, versuchte Gabriella neben ihr herzulaufen, um sie nicht noch mehr zu verärgern. Die Tür stand offen, und Eloise schleuderte ihre Tochter über die Schwelle in den dunklen Raum. Unsanft landete das kleine Mädchen am Boden, verstauchte sich einen Knöchel, wagte aber nicht zu klagen und lag reglos vor den Füßen der Mutter.
    »Jetzt bleibst du hier drin! Verstanden? Außerhalb dieses Zimmers will ich dich nicht mehr sehen. Ist das klar? Wenn du mir noch einmal den Gehorsam verweigerst, wirst du's bitter bereuen. Da draußen will dich niemand sehen. Wer interessiert sich schon für ein unartiges Mädchen, das wie ein armes Waisenkind am Treppenabsatz hockt? Du musst hier bleiben, wo dein Anblick meine Gäste nicht belästigt. Hörst du?« Beklommen weinte Gabriella in der Finsternis, von ihrem schmerzenden Knöchel gepeinigt. Doch sie war zu klug und auch zu stolz, um sich bei ihrer Mutter zu beschweren. »Antworte!« Der scharfe Befehl zerriss das Schweigen, und sie fürchtete, Mommy würde ihr noch nachdrücklicher klar machen, was sie verlangte.
    »Tut mir Leid«, wisperte Gabriella.
    »Hör zu winseln auf! Geh ins Bett, wo du hingehörst!« Eloise warf die Tür zu. Immer noch erbost, eilte sie zur Treppe zurück. Während sie hinabstieg, änderte sich ihre Miene, und sobald sie die Halle erreichte, hatte sie ihre Tochter vergessen. Einige der Besucher zogen gerade ihre Mäntel an, und sie küsste sie alle zum Abschied, bevor sie das Wohnzimmer betrat, um mit den anderen zu plaudern und zu tanzen. Als würde ihre Tochter gar nicht existieren, was ja auch stimmte. Das Kind bedeutete ihr absolut nichts.
    Bevor Marianne Marks mit ihrem Mann das Haus verließ, bat sie Eloise, Gabriella herzliche Grüße auszurichten. »Ich habe versprochen, ich würde sie besuchen. Aber jetzt schläft sie sicher schon«, fügte sie bedauernd hinzu, und die Mutter des kleinen Mädchens runzelte verwundert die Stirn.
    »Das will ich hoffen!«,
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