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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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retten. Zumindest, bis er der Inquisition in die Hände fiel, rief er sich ins Gedächtnis zurück, doch in Amsterdam gab es keine Inquisition. Nur den Ma’amad.
    Aber was tat er hier mit diesem unergründlichen Holländer? Warum hatte er seinem Drängen nachgegeben, wenn er doch wichtige Geschäfte zu erledigen hatte?
    »Wohin bringen Sie mich?«, fragte Miguel, da er hoffte, einen Grund zu finden, sich zu verdrücken.
    »An einen jämmerlichen Ort«, sagte Hendrick.
    Miguel öffnete den Mund, um einen Einwand zu äußern, doch es war zu spät. Sie waren angekommen.
    Obgleich Miguel nicht wie die Holländer dazu neigte, an Omen zu glauben, sollte er sich später daran erinnern, dass sein Unternehmen an einem Ort begonnen hatte, der Zum goldenen Kalb hieß, fürwahr ein viel versprechender Name. Sie stiegen eine steile und tückisch niedrige Treppe in den Keller hinab, die zu einem kleinen Raum führte, der bequem dreißig Seelen hätte fassen können, jetzt aber ungefähr fünfzig beherbergte. Der erdrückende Rauch von billigem westindischem
Tabak und muffigen Torföfen überdeckte fast den Geruch von vergossenem Bier und Wein, altem Käse und von fünfzig ungewaschenen Männern – besser gesagt, vierzig Männern und zehn Huren -, deren Atem nach Zwiebeln und Bier stank.
    Am Fuß der Treppe versperrte ihnen ein gewaltiger Mann, der Ähnlichkeit mit einer Birne hatte, den Weg. Er hatte einen Humpen in einer Hand und eine Pfeife in der anderen und rief seinen Gefährten etwas Unverständliches zu.
    »Beweg deinen fetten Wanst, Bursche«, sagte Hendrick zu ihm.
    Der Mann wandte den Kopf gerade weit genug, um seine finstere Miene zu registrieren, und schaute dann beiseite.
    »Bursche«, versuchte Hendrick es erneut, »du bist der harte Kotkrümel im Arsch meines Weiterkommens. Soll ich ein Abführmittel anwenden, um dich herauszuspülen?«
    »Piss dir doch in die Hose«, anwortete der Mann und rülpste ein Lachen in die Gesichter seiner Freunde.
    »Bursche«, sagte Hendrick, »dreh dich um und sieh, mit wem du so unverschämt sprichst.«
    Der Mann drehte sich tatsächlich um, und als er Hendrick sah, schmolz das Grinsen von seinen unrasierten Hängebacken. »Bitte um Verzeihung«, sagte er. Er zog sich die Mütze vom Kopf und trat rasch beiseite, wobei er seine Freunde unbeholfen anstieß.
    Diese plötzliche Demut befriedigte Hendrick aber noch nicht, er ließ seinen Arm nach vorn schnellen wie eine Peitschenschnur und packte den Mann an seinem schmutzigen Hemd. Humpen und Pfeife fielen zu Boden. »Sag mir«, fragte Hendrick, »soll ich dir die Kehle zerquetschen oder nicht?«
    »Nicht zerquetschen«, schlug der Betrunkene eifrig vor. Seine Hände flatterten wie Vogelflügel.
    »Was meinen Sie, Judenmann?«, wollte Hendrick von Miguel wissen. »Zerquetschen oder nicht zerquetschen?«

    »Ach, lassen Sie ihn gehen«, erwiderte Miguel gelangweilt.
    Hendrick lockerte seinen Griff. »Der Judenmann sagt, ich soll dich gehen lassen. Vergiss das nicht, Bursche, wenn es dir das nächste Mal einfällt, einen Juden mit einem toten Fisch oder einem fauligen Kohlkopf zu bewerfen. Ein Jude hat dir heute das Fell gerettet, und das auch noch ohne Grund.« Er wandte sich Miguel zu. »Hier entlang.«
    Ein Nicken von Hendrick reichte, und die Menge machte ihnen Platz, wie sich das Rote Meer für Moses geteilt hatte. Auf der anderen Seite der Schenke erblickte Miguel Geertruid, die an der Theke saß, hübsch wie eine Tulpe in einem Misthaufen. Als Miguel auf sie zutrat, drehte sie sich zu ihm um und lächelte, breit und strahlend und unwiderstehlich. Miguel musste das Lächeln einfach erwidern, wobei er sich wie ein dummer Junge vorkam, ein Gefühl, das sie ihm regelmäßig vermittelte. Sie besaß den Reiz von etwas Verbotenem. Mit Geertruid zusammen zu sein, war wie mit der Frau eines Freundes ins Bett zu gehen (was er noch nie getan hatte, denn Ehebruch ist eine grässliche Sünde, und keine Frau, der er je begegnet war, wäre sie wert gewesen) oder einer Jungfrau den ersten Kuss zu rauben ( das hatte er schon getan, doch nur einmal, und die Betreffende war später seine Frau geworden). Die Luft um Geertruid vibrierte stets vor unerlaubtem und schwer fassbarem Verlangen. Vielleicht lag es daran, dass Miguel noch nie so viel Zeit mit einer Frau, die nicht mit ihm verwandt war, verbracht hatte, ohne mit ihr zu schlafen.
    »Madame, ich bin geehrt, dass Sie mich sehen wollen, aber ich fürchte, ich habe momentan keine Zeit für derlei
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