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Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition)

Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition)

Titel: Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition)
Autoren: Paula Fox
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mich nachsichtig an. «Keine große Geschichte», sagte er.

    Brauner Regen fiel am nächsten Morgen auf uns hernieder, als wir mit anderen Passagieren die kleine Fähre bestiegen, die erst Ibiza, dann Mallorca, wo wir aussteigen würden, und schließlich noch Menorca anlaufen würde. Harold hatte vor, in zwei Tagen nach Paris aufzubrechen. Dann würde er in die Staaten zurückkehren.
    Meine Kleider waren voller feuchter brauner Flecken, und ich fragte einen vorbeikommenden Matrosen nach dem Regen. «Ein Wüstenregen aus Nordafrika, den der Wind hergeweht hat», antwortete er.
    Im dämmrigen Licht rollte und schwankte das Schiff von Steuerbord nach Backbord und zurück; der Sturm war da, den der Wind angekündigt hatte. Blitze an der Küste explodierten wie ein Feuerwerk. Im begrenzten Raum des Mittelmeers fühlte sich das Gewitter viel heftiger an als auf offener See, wo wir das Land nicht abwechselnd auftauchen und dann wieder verschwinden sehen hätten.
    Wenn die Passagiere aus der kleinen Schiffscafeteria kamen, rollten sie auf Deck hin und her wie Kieselsteine.
    Ich schlug mich alleine durch; Marjorie und Harold hatte ich aus den Augen verloren. Durch den peitschenden Regen hangelte ich mich in Richtung Bug. Ich sah einen flachen, offenen Frachtraum vor mir; wenn ich den erreichte, konnte ich darin Schutz suchen – dachte ich jedenfalls.
    Aber der Frachtraum war schon belegt. Drei großgewachsene griechische Priester in ihren schwarzen Kutten und Hüten hatten sich darin auf Kojen ausgestreckt. Ich konnte ihr wortloses Stöhnen hören. Neben ihnen lag, auf ein Brett gebunden, ein riesiger toter Fisch.
    Ich entdeckte eine dicke Taurolle und versteckte mich in ihrer Mitte, rollte mich ohne einen Gedanken zusammen, nur von der physischen Furcht beherrscht, daß jeder Atemzug mein letzter sein könnte.
    Schließlich schlief ich ein. Eine ganze Weile später wurde ich von einem Seemann geweckt. Wir näherten uns dem Kai in Palma de Mallorca. Das Meer war inzwischen flach wie eine Schiefertafel und ebenso grau.

    Nachdem Harold am nächsten Tag nach Paris abgereist war, fanden Marjorie und ich Zimmer in einer Pension wenige Kilometer außerhalb von Palma.
    Der Name des Dorfes ist mir entfallen. Es war nur ein Fingerabdruck in der Landschaft. Aber noch heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, sehe ich die Küche vor mir, die Ketten aus Zwiebeln und Knoblauch, die an dicken Haken von der hohen, dunklen Holzdecke hängen, eine Aubergine am Rand des zerkratzten runden Tisches, ein großer Topf auf dem Holzofen, ein Fischer, der hereinkommt und in einem Eimer seinen frischgefangenen Tintenfisch mitbringt.
    Ich wollte unbedingt die Villa sehen, in der Chopin und George Sand gelebt hatten, und ich entdeckte eine lange, sandige Straße, von der ich mir vorstellte, daß sie dorthin führte. Robert Graves, ein englischer Dichter, lebte damals darin, aber in jenen fernen Tagen interessierte er mich nicht mehr als die rosafarbene Villa, die Natascha Rambova gehört hatte und die Marjorie und ich an einem langen Hang zwischen anderen Villen entdeckten. Die Rambova soll Rudolph Valentinos Geliebte gewesen sein.

    Mein Monat in Spanien neigte sich dem Ende zu. Marjorie hatte genug Material für einen langen Artikel über das politische Leben des Landes gesammelt.
    Wir waren sehr enge Freundinnen, seit wir uns vor Jahren in San Francisco kennengelernt hatten, doch obwohl sie mir Geld leihen wollte, damit ich noch länger auf der Insel bleiben konnte, mochte ich es nicht annehmen.
    Wir blieben noch zwei Tage auf Mallorca, die wir am örtlichen Strand in der Sonne verbummelten. Am ersten dieser beiden Tage fuhren wir mit dem Fischer in seinem Boot hinaus und sahen zu, wie seine Köder im blauäugigen Wasser der Bucht versanken.
    Am nächsten Nachmittag, unserem letzten, folgten wir eine Weile einem Paar, nachdem wir sie deutsch miteinander reden gehört hatten. Er las im Gehen eine alte Ausgabe der Zeitschrift Fortune , seine Schuhe sanken in den Sand. Beide waren groß und schlank; sie schaute aufs Meer hinaus – mißbilligend, befanden Marjorie und ich.
    Am selben Tag entdeckte ich eine lange Ameisenkolonne, die im Schatten einiger Bäume nah beim Strand marschierte. Ich legte ihnen einen großen Ast in den Weg. Die Fühler des Anführers stießen auf den Ast; er bog im rechten Winkel ab und führte seine Kolonne in eine andere Richtung. «Die Natur ist verrückt», bemerkte Marjorie.
    Wir bestiegen wieder ein kleines
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