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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator
Autoren: Philipp Vandenberg
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in Bononia noch alles erzählt über Messalina.«
    »Nun, viel mehr kam mir bisher nicht zu Ohren. Ich hörte nur, was die Weiber sich erzählten, wenn sie mit Geschirr und Töpfen in die Werkstatt kamen. Halt – von Messalinas Todfeindschaft mit Agrippina wird auch noch geredet. Es heißt, sie habe es auf Kaiser Claudius abgesehen, wolle gar seine Frau werden und Messalina verstoßen. Zwar ist sie seine Nichte, aber beide sind der letzte Sproß des julisch-claudischen Geschlechts, und Agrippina hat einen Sohn …«
    »Schweig!« unterbrach Lycisca. »Das Volk redet viel, ohne etwas Rechtes zu wissen!«
    Der Straßenverkehr wurde nun immer dichter, aber bald würde die Dunkelheit ihm ein Ende setzen. Die Portale vor den öffentlichen und privaten Parkanlagen waren aus Anlaß der Floralien mit Blüten und Zweigen geschmückt. Blumenteppiche mit mythologischen Szenen boten Menschentrauben Anlaß zu Bewunderung oder Kritik. Am Horologium des Augustus, einer in ihren Ausmaßen riesigen Wasseruhrenanlage, brannten bereits Fackeln. Auch des Nachts sollte jeder Römer wissen, wie spät es war. Zur Linken lagen die Thermen des Agrippa, des Schwiegersohnes des göttlichen Augustus, der für diese seine Badeanlage eine 22 Kilometer lange Wasserleitung legen ließ. Ihre mächtigen Aquädukte hatten Vitellius auf den letzten Meilen seines Weges nach Rom geleitet.
    »Platz da für die Sänfte der göttlichen Augusta!« hörte Vitellius einen der Sklaven rufen. Vitellius starrte Lycisca an. Die lächelte beschwichtigend: »Die Sklaven treiben manchmal ihre Scherze, so kommen sie jedenfalls schneller vorwärts!« Lycisca hatte die blauen Samtvorhänge herabgelassen, um sich und ihren Gast vor neugierigen Blicken zu schützen; doch ein schmaler Spalt in der Mitte gab den Blick frei auf das vorbeiziehende Getümmel der Großstadt. Am Forum Julium mischte sich der Klang von Zimbeln und Harfen in das lauter werdende Geschwätz der Massen. Gegenüber die Basilica Ämilia, Roms älteste Markt- und Gerichtshalle, quoll über von Menschen und Gepäckbündeln. Besucher der Floralien fanden hier ein kostenfreies Dach über dem Kopf. Der dunkelrote Marmor speicherte die Hitze des Tages vortrefflich. Vitellius fielen vor allem Hunderte weißer Marmorstatuen auf, mit denen verdienstvolle Männer des Staates geehrt wurden.
    Nur mühsam konnten die Sänftenträger sich einen Weg an der Kurie vorbei zum Forum Romanum bahnen, wo zwischen qualmenden Ölpfannen und prasselnden Fackeln jenes Leben pulsierte, das der Stadt Rom in der ganzen Welt den Beinamen Babylon eingebracht hatte. Hier ließ vor mehr als hundert Jahren der göttliche Cäsar dreihundertzwanzig Gladiatorenpaare zum Kampf antreten. Und über neunzig Jahre waren es her, seit Cäsar nach seiner berühmten Eilbotschaft ›Veni, vidi, vici‹ hier zwanzigtausend Kostgänger für mehrere Tage bewirtete. Seither kamen die ›Forenses‹, die Strolche und Müßiggänger, die Prahler und Zeitvergeuder, die Wucherer und Bettler, die Dirnen und Spieler tagtäglich hierher, mischten sich unter ehrwürdige Senatoren und hochbezahlte Redner, Bankiers und Rechtsanwälte, Makler und Vestalinnen.
    Vorbei an der Basilica Julia, wo bisweilen hundertachtzig Richter die großen Prozesse Roms führten, drängten sich die Sklaven mit der Sänfte mühsam durch die Volksmassen, als plötzlich von außen ein Arm unter dem Vorhang hindurchlangte, nach dem Körper Lyciscas tastete und mit breiten Fingern ein Detail zu erhaschen suchte. Lycisca ließ es geschehen, ja es schien ihr sogar Genuß zu bereiten. Als die unbekannte Hand ihre großen Brüste betastete, erscholl von draußen eine heisere Stimme: »Lycisca!«, und der Vorhang wurde beiseitegerissen.
    »Sulpicius Rufus!« rief Lycisca sichtlich erfreut, »ich wußte es, das konnte nur der Griff eines Gladiators sein.«
    Sulpicius grinste breit über das ganze Gesicht, als er den jungen Vitellius erblickte. Mit seiner Fackel leuchtete er in die Sänfte. Ohne das geringste Anzeichen von Verlegenheit sagte Lycisca: »Das ist Vitellius. Er kommt aus Bononia. Ich habe ihn auf der Mulvischen Brücke aufgelesen.«
    »Sei gegrüßt, schöner Jüngling«, sagte Sulpicius mit einer ausladenden Handbewegung, und an Lycisca gewandt, fuhr er fort: »Alle Welt strömt heute nach Rom, die Hallen und Foren platzen aus den Nähten. Glücklich, wer noch ein Dach über dem Kopf fand. Die meisten werden unter freiem Himmel nächtigen müssen.«
    »Daran bist du nicht ohne
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