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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds
Autoren: Rosa Zapato
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Schmuck und schöne Kleider in der Wildnis? Nun war sie mit ihrem Äußeren zufrieden, sie wirkte elegant, aber auch dezent und unauffällig. Es war an der Zeit, den Ozeanriesen genauer in Augenschein zu nehmen.
    Auf dem Korridor waren bereits Schritte von Gleichgesinnten zu vernehmen. Als Alice die Tür öffnete, stieß sie fast mit einer kleinen, rundlichen Frau zusammen. Sie entschuldigte sich hastig und wurde von haselnussbraunen Augen neugierig gemustert.
    »Sie also unsere Nachbarin! Wir denken, die Kabine leer, so still. Ich bin Emilia Grünwald, darf ich vorstellen meine Familie?«
    Ohne eine Zustimmung abzuwarten, wies Emilia Grünwald auf ihre vier Kinder und schließlich auch auf einen dünnen, schlaksigen Mann mit Halbglatze, den sie Günter nannte. Alice begriff, wer bei der Abfahrt für den Lärm verantwortlich gewesen war. Emilias kaffeebraune Haut, der zarte, dunkle Flaum auf ihrer Oberlippe und das gebrochene Deutsch ließen auf eine mexikanische Herkunft schließen. Herr Grünwald jedoch konnte seine nordeuropäischen Vorfahren kaum verleugnen, dazu war sein Gesicht zu fahl und das schüttere Haar von zu hellem Braun.
    »Mi esposo aus Bremerhaven. Wir besuchen Familie, jetzt fahren zurück. Er Juwelier in Ciudad de Mexico, seit fünfzehn Jahren«, plapperte Emilia weiter. Unaufgefordert hakte sie sich bei Alice ein.
    »Sie reisen ganz allein?«
    Die Frage klang mitfühlend. Alice straffte trotzig die Schultern, nickte aber.
    »Por que?«
    Alice verstand die Worte nicht, aber ihr war klar, dass eine Erklärung verlangt wurde. Zorn über so viel Aufdringlichkeit kribbelte in ihrem Magen, während sie von Emilia weitergezogen wurde.
    »Ich besuche meinen Bruder. Er arbeitet als Archäologe in Mexiko.«
    »Ah, su hermano. Er sicher froh, Sie zu sehen.«
    Alice hoffte, dass diese Aussage der Wahrheit entsprach. Mit leichtem Unmut ließ sie sich von Emilia vorwärtsschieben, denn es wäre unhöflich gewesen, die kleine, unablässig plappernde Frau abzuschütteln.
    Sie erreichten einen großen Saal, in dem es vor Menschen wimmelte wie auf einer Einkaufsstraße. Der Geruch von Kohl und gebratenem Fleisch stieg in ihre Nase. Obwohl er ranziges Fett erahnen ließ, hörte Alice ihren Magen sehnsüchtig knurren.
    »Essen mit uns. Nicht allein, das nicht gut für junge Frau«, bestimmte Emilia. Alice fehlte die nötige Dreistigkeit, das Angebot abzulehnen, sodass sie von Emilia zu einem kleinen Holztisch gelotst wurde. Die vier Kinder schubsten sich gegenseitig herum, bis es auf unerklärliche Weise zu einem Waffenstillstand bezüglich der Platzverteilung kam. Günter Grünwald setzte sich auf einen freien Stuhl. Emilia schimpfte auf Spanisch die Kinder aus, was keine besondere Wirkung zeigte, dann nahm sie ebenfalls Platz und zog Alice neben sich auf einen Stuhl. Schwarz gekleidete Kellner mit weißen Schürzen huschten herum, um Teller zu füllen. Es gab Grünkohl, dazu fetttriefendes Rindfleisch und matschige Kartoffeln. Alice seufzte leise. Ob es wohl möglich wäre, gegen einen Aufpreis mit den Passagieren der ersten Klasse zu speisen? Leider fehlte ihr dazu die angemessene Kleidung.
    »Wo arbeitet Ihr Bruder denn als Archäologe, Fräulein Wegener?«, fragte Günter Grünwald. Alice staunte, wie viel er von ihren Aussagen aufgenommen hatte, denn er hatte einen geistesabwesenden Eindruck gemacht.
    »In Palenque. Das liegt im Süden von Mexiko, im Bundesstaat Chiapas.«
    Sie war sehr stolz, sich diese fremden Namen gemerkt zu haben.
    »Ach, Nueva Alemania, da, wo Kaffeeplantagen«, mischte sich Emilia ins Gespräch. Sie ließ anderen Menschen niemals viel Gelegenheit zum Reden. »Ich dir immer sagen, kaufen Land, das besser als Laden, aber du nicht hören«, meinte sie, an ihren Ehemann gewandt.
    »Ich bin Juwelier, mein Herz, kein Kaffeebauer«, erwiderte Günter kauend. Emilia schnaufte laut, widersprach aber nicht.
    »Wieso neues Deutschland?«, fragte Alice, insgeheim erfreut, wie viel sie nach kurzem Blättern im Wörterbuch bereits verstand.
    Günter holte Luft, doch Emilia war wie immer schneller.
    »Weil dort viele Deutsche Land gekauft. Als billig war, weil neuer Präsident es nehmen von Indios und geben Leuten, die besser verwalten.«
    Alice war verwirrt.
    »Wie konnte man einfach jemandem Land wegnehmen, dem es bisher gehörte?«, fragte sie interessiert.
    »Ach, neue Regierung, neue Gesetze, alles möglich«, meinte Emilia ungeduldig angesichts einer ihrer Meinung nach überflüssigen Frage und
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