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Der 7. Tag (German Edition)

Der 7. Tag (German Edition)

Titel: Der 7. Tag (German Edition)
Autoren: Nika Lubitsch
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zuzuhören. Er beobachtet mich stundenlang mit zusammengekniffenen
Augen. Vielleicht treibt er es ja auch in Gedanken mit mir, während sie hier
meine Ehre zu Markte tragen. Wer weiß.
     
    Atlanta im August. Die Hitze war unerträglich, die
Klimaanlagen waren auf Werte um den Gefrierpunkt eingestellt. Das ständige
Wechselbad zwischen heiß und kalt ging mir auf die Bronchien. Ich hatte – wie
eigentlich jeden Tag - 14 Stunden gearbeitet. Der Job war faszinierend, hatte
aber wirklich nichts mit einem netten Urlaubsaufenthalt zu tun.
    Mit einem Sukiyaki, das ich vom Chinesen mitgebracht hatte,
war ich in meinem Apartment todmüde auf der Couch vor dem Fernseher
zusammengebrochen. Ich zappte mich durch die Kanäle und fragte mich: Was riecht
hier eigentlich so fürchterlich? Also schnüffelte ich an meinen Tüten, aber das
war es nicht. Das ganze Apartment roch widerwärtig. Ich öffnete alle Fenster,
zog mich aus und ging in das Badezimmer, um Parfum zu holen, mit dem ich diesen
ekelhaften Geruch übertünchen konnte.
    Beim Blick in den Spiegel fiel bei mir nicht nur der
Groschen, sondern gleich eine ganze Münzsammlung. Mein immer schon recht
üppiger Busen streckte sich mir prall und voll entgegen. Es lag also nicht am
Fast-Food, dass mir immer so schlecht war. Und im Apartment stank es auch
nicht. Ich war schlicht schwanger. Ich habe diesen Satz gedacht und dann habe
ich ihn ausgesprochen: Ich bin schwanger. Fast wäre ich in Ohnmacht gefallen.
Ich versuchte, mich zu beruhigen. Ich könnte mich ja irren, aber eigentlich
wusste ich, dass ich mich nicht irrte. Eigentlich kann es nicht sein, sagte ich
mir. Denn ich hatte wirklich immer die Pille genommen. Wirklich? Na ja, bei dem
Langstreckenflug nach Miami bin ich schon ein bisschen durcheinander gekommen
mit den Tagen. Aber eine einzige, winzige, vergessene Pille, konnte das sein?
Ich wusste, dass es konnte.
     
    Heute sind die Zeugen (Zeugen?) dran, die mich am Abend vor
meiner angeblichen Tat gesehen haben. Als erster wird Wolfgang Kaiser in den
Zeugenstand gerufen. Ich erinnere mich, der Kellner. Es würde mich sehr
wundern, wenn der sich noch an mich erinnert. An jenem Abend jedenfalls schien
er mich schon vergessen zu haben. Er stand meistens an der Durchreiche zur
Küche und schwatzte mit dem Koch. Wolfgang Kaiser ist genauso schmierig wie
diese ganze so genannte Gaststube in meinem Hotel in Mahlow.
    Ja, sagt er, er erinnere sich an mich. „Ich habe mich
gewundert, warum die Dame nichts isst. Erst bestellt sie einen Ratsherrentopf
und dann rührt sie ihn nicht mal an. Sie hat nur da gesessen und mit den
Fingern aufs Tischtuch getrommelt. Und ziemlich viel getrunken, wie viel, weiß
ich nicht mehr. Ein paar Bier, ein paar Schnäpse.“
    Das ist gut, dass er sich nicht erinnert. Ich erinnere mich
nämlich genau. Der Ratsherrentopf schmeckte beschissen. Und es waren vier Bier
und zwei Schnäpse, viel zu wenig, um betrunken zu sein.
    Die Vorsitzende Richterin fragt ihn, ob er glaube, dass ich
betrunken gewesen sei.
    „Schon möglich“, sagt er, „ja, eigentlich glaube ich, dass
sie betrunken war.“
    Danke Herr Kaiser.
     
    Als ich in Atlanta war, haben Michael und ich jeden Tag
zusammen telefoniert, mein halbes Gehalt ging für Telefongebühren drauf. Und
nun saß ich alleine auf dieser dreckigen Couch in Atlanta, wusste, dass ich
schwanger war und fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben einsam. Und konnte
wegen der Zeitverschiebung nicht mal sofort Michael anrufen.
    Alles in mir schrie nein, nein, nein. Ich wollte Karriere
machen. Und war auf dem besten Weg dazu. Ich hatte Betriebswirtschaft und
Publizistik studiert, einen glänzenden Abschluss gemacht, bei verschiedenen
Medien Praktika absolviert, anderthalb Jahre einen PR-Crashkurs in der besten
Berliner Agentur durchgestanden und jetzt stand ich hier in Atlanta auf dem
Sprungbrett zu einer großen Karriere.
    Meine andere Stimme sagte ja, ja, ja. Du bekommst ein Kind
von dem Mann, den du liebst. Du wolltest doch immer Kinder. Wozu die ganze
Karriere, wenn du doch hinterher zu Hause sitzt und Windeln wechselst. Oh,
Michael, hilf mir, habe ich gefleht, aber ich wusste, dass er mir nicht helfen
konnte. Es war eine Entscheidung, die ich allein treffen musste. Denn sie
betraf mein Leben. Und dann habe ich doch Michael mitten in der Nacht
angerufen.
     
    Elise Baltus heiße sie. Welch ein Name. Elise ist Rentnerin.
Zusammen mit Lucie Peschel war sie nach Mahlow gereist.
    „In meine Heimat. Sie müssen
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