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Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Titel: Das Spiel - Laymon, R: Spiel
Autoren: Richard Laymon
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sie sich ziemlich dämlich vor.
    Das war keine Botschaft eines heimlichen Verehrers. Auch keine Drohung. Hier wollte nur jemand ein verloren gegangenes Buch oder eine Mahngebühr bezahlen, nichts weiter.
    Jane fühlte sich zwar wie eine Idiotin, aber sie war auch etwas erleichtert. Und enttäuscht.
    Sie faltete das Papier auseinander.
    Es war kein Scheck, sondern eine druckfrische, glatte Fünfzigdollarnote.
    War wohl ein ziemlich teures Buch, dachte sie.
    Sie schob den Geldschein wieder zurück und las die handgeschriebene Mitteilung:
    Liebe Jane,
     
    komm und spiel mit mir. Für weitere Anweisungen: Schau heimwärts, Engel. Du wirst es nicht bereuen. Liebste Grüße,
     
    MOG (Master of Games – Meister des Spiels)
    Jane las den Brief noch einmal. Und noch einmal. Sie sah sich um, aber die wenigen Besucher schenkten ihr keinerlei Beachtung.

    »Wir schließen in zehn Minuten«, verkündete sie.
    Dann steckte sie die fünfzig Dollar und den Brief zurück in den Umschlag.
    »Don, hast du einen Moment Zeit?«
    Don, ein schlaksiger Doktorand, eilte auf sie zu. Er wirkte besorgt. Oder etwa schuldig? »Gibt es ein Problem, Miss Kerry?«
    Jane schüttelte den Kopf. »Nichts Wichtiges.« Sie zeigte ihm den Umschlag. »Hast du gesehen, dass den jemand auf meinen Stuhl gelegt hat?«
    Er blickte zur Decke, als stünde die Antwort dort geschrieben. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich glaube nicht.«
    »War jemand am Schalter, als ich nicht da war?«
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Ich habe niemanden gesehen.«
    Sie wedelte mit dem Umschlag. »Der ist von dir, stimmt’s?«
    »Von mir? Nein. Was ist das überhaupt?«
    Jane zögerte. Wie viel konnte sie ihm erzählen? Sie kannte Don jetzt seit ein paar Monaten, aber eigentlich wusste sie nichts über ihn. Nur, dass er bereits über ein Jahr Bibliotheksaushilfe gewesen war, als sie hier angefangen hatte. Er promovierte an der hiesigen Universität in englischer Literatur, war Single und wohnte allein in einem Apartment nicht weit von der Bibliothek entfernt. Außerdem war er schrecklich schüchtern und hatte anscheinend kein nennenswertes Privatleben.
    Vielleicht will er das mit mir nachholen, dachte sie. Und versucht es jetzt mit einer geheimnisvollen Botschaft und einem Geldschein als Köder.
    »Ein anonymer Brief«, sagte sie und beschloss, die fünfzig Dollar nicht zu erwähnen.

    Er machte große Augen. »Von einem heimlichen Verehrer? «
    »Nicht direkt.«
    Jetzt wirkte er besorgt. »Doch kein Drohbrief?«
    »Nein. Nur … eine seltsame Botschaft. Du hast bestimmt niemanden mit einem Umschlag in der Hand gesehen? Oder jemanden, der um den Schalter herumgeschlichen ist?«
    »Nein, wirklich nicht.« Er sah auf den Umschlag. »Darf ich mal sehen?«
    »Danke, aber … lieber nicht.« Sie bemerkte seine enttäuschte Miene. »Es ist ziemlich persönlich.«
    »Persönlich?« Auf einmal wurde er rot im Gesicht. »Aha. Also … Tut mir leid. Konnte ich ja nicht wissen.« Er verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Verzeihung.«
    »Nicht so schlimm, Don. Wirklich.«
    »Ich … Dürfte ich jetzt nach Hause gehen? Ich bin zwar noch nicht fertig mit Aufräumen, aber, also … ich fühle mich nicht besonders gut. Mein Magen.« Er hielt sich den Bauch.
    »Klar. Geh nur.«
    »Vielen Dank.« Don wieselte um den Schalter herum, ging ins Büro und kam einige Augenblicke später mit seiner Aktentasche wieder. Er schenkte Jane ein verkrampftes Lächeln, winkte ihr zu und eilte auf den Ausgang zu.
    »Gute Besserung«, sagte sie.
    Dann war er verschwunden.
    Jane fragte sich, ob sie nicht zufällig für seinen plötzlichen Krankheitsausbruch verantwortlich war.
    Das war gar nicht so unwahrscheinlich. Schließlich war sie sein Chef und eine Frau. Noch dazu hatte sie ihn verdächtigt, ihr den anonymen Brief untergeschoben zu haben.
Das reichte, um jemandem mit Dons Nervenkostüm Bauchschmerzen zu bereiten.
    Dass sie den Brief als »persönlich« bezeichnet hatte, war dann wohl zu viel für ihn gewesen.
    Das hätte ich nicht sagen sollen, dachte sie. Der Brief ist eigentlich gar nicht persönlich. Keine Frage nach meinem Einkommen, keine unanständigen Dinge.
    Er ist nicht persönlich, er ist einfach nur durchgeknallt.
    Sie sah auf die Uhr. »Wir schließen jetzt«, verkündete sie. »Zeit zu gehen, meine Herrschaften.«
    Als der letzte Besucher die Bibliothek verlassen hatte, schloss sie den Vordereingang ab und kehrte zum Pult zurück. Jetzt musste sie noch nach oben gehen, um
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