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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz
Autoren: Hanni Muenzer
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ihnen
Reisende in beiden Richtungen begegnet. Ein weiteres Mal zog Emilia enttäuscht
den Kopf ein und lehnte sich mit einem Seufzer in das weiche Polster zurück.
Donna Elvira schloss vorsorglich die Vorhänge. Bis sie auf dem Schiff waren,
musste Emilia ihr Inkognito wahren. Der Reiter hatte die Kutsche nun erreicht.
Doch anstatt an ihr vorbeizupreschen, drosselte er sein Tempo und passte es
jenem der Kutsche an: “He da, Kutscher! Haltet an!“
    Den drei Frauen
stockte der Atem. Was wollte der Mann von ihnen? Ohne die Geschwindigkeit zu
drosseln, stellte ihm einer der Kutscher dieselbe Frage. Der Reiter rief
zurück, dass er im Auftrag von Pater Baptista käme. Plötzlich stieß Emilia
einen überraschten Schrei aus. Nicht wegen des Namens, sondern weil sie die
Stimme erkannt hatte! Sie beugte sich aus dem Fenster und rief: „Haltet ein,
Kutscher, das ist ein Freund.“ Noch während der Kutscher sein Gespann zügelte,
riss Emilia den Schlag auf und hüpfte leichtfüßig hinaus. Ihr Ruf: „Maestro
Donatus, welche Überraschung!“, klärte nun auch ihre Gefährtinnen über die
Identität des Reiters auf.
    Donna Elvira
war Emilia nachgesprungen und hatte ihr rasch einen langen Umhang übergeworfen,
dessen Kapuze sie nun umsichtig über ihr Haar drapierte. „Wie unvorsichtig“,
zischte sie nah an Emilias Ohr, da sich ihnen just von vorn ein mit Melonen
beladener Bauernkarren näherte. Der junge Mann auf dem Bock beäugte die Gesellschaft
am Wegesrand. Er witterte ein Geschäft und bot ihnen lautstark ´Cocomeri,
frisch und saftig` an. Mit der Geschwindigkeit eines Taschenspielers zückte er
ein Messer und schnitt eine der großen grünen Früchte in der Mitte durch.
Eifrig hielt er ihnen die Hälfte mit dem blutroten Fruchtfleisch entgegen.
Serafina, hinreichend mit der Hartnäckigkeit der Bauern der römischen Campagna
vertraut, kramte rasch einige Scudo hervor und kaufte die Melone, um ihn
loszuwerden. Dieser pries ihre Großzügigkeit, schnalzte mit der Zunge und seine
beiden triefäugigen Maulesel setzten sich wieder in Bewegung.
    Während er
an ihnen vorüberzuckelte, versuchte er einen Blick auf die elegante Gestalt im
Umhang zu erhaschen, doch Emilia hatte sich von ihm abgewandt. Sie warteten ab,
bis der Mann außer Hörweite war. Donatus war inzwischen von seinem Pferd
geglitten und kniete mit gesenktem Kopf vor Emilia. „Gott sei gepriesen, ich
habe Euch gefunden, Eccellenza. Ich habe gewusst, dass Ihr nicht tot seid. Ich bin
Euch nachgereist, um Euch weiterhin meine Dienste anzubieten.“
    „Dann seid
mir willkommen, Meister Donatus. Und ich hoffe, Ihr glaubt mir, dass keineswegs
mangelndes Vertrauen dazu führte, dass Ihr nicht in unser Vorhaben eingeweiht
wurdet. Doch sagt, wie seid Ihr überhaupt darauf gekommen? Wir haben alle
erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen“, erkundigte sich Emilia mit leichtem
Schrecken. Sie fürchtete, dass auch andere ihr Geheimnis enthüllt haben
könnten. Dann wäre alles umsonst gewesen.
    „Oh, dies war
für mich nicht allzu schwer zu erraten. Wenn man wie ich weiß, wie sehr
verbunden Euch Signorina Serafina und Donna Elvira sind, dann konnte man
erkennen, dass beide nicht betroffen genug über Euer Ableben waren. Mein
Verdacht wurde überdies durch das ständige Kommen und Gehen in Eurem Gemach
bestätigt. Es herrschte zu viel Geschäftigkeit und Flüstern, das nicht die
Farbe der Trauer trug. Doch da Ihr offensichtlich beschlossen hattet, mich von
Eurem Geheimnis auszuschließen, tat ich so, als hätte ich nichts bemerkt.
Keinesfalls aber konnte ich zulassen, dass Ihr ohne mich abreist. Leider musste
ich erst unser russisches Walross auftreiben und einigermaßen ausnüchtern. Aber
hier sind wir, bereit Euch bis ans Ende der Welt zu folgen.“
    „Welches
russische Walross?“, fragte Emilia verblüfft. Das unvermittelte Auftauchen
ihres Majordomus und sein fabelhafter Monolog, im typisch trüben Donatus-Ton
vorgetragen, hatte sie kurzeitig ihr Umfeld beiseiteschieben lassen. So war ihr
entgangen, dass sich ihnen nun ein zweiter, unbeholfener Reiter angenähert
hatte. Bevor Emilia sich versah, war dieser von seinem Schlachtross gesprungen,
hatte sie hochgehoben und schwenkte sie überschwänglich durch die Luft. Er
stieß unablässig russische Koselaute aus. Dabei umwehte die junge Frau ein
geradezu betäubender Hauch von Alkohol. „Ist ja schon gut, mein lieber
Grigorowitsch“, rief Emilia völlig außer Atem, „Du kannst mich jetzt
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