Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haidedorf

Das Haidedorf

Titel: Das Haidedorf
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
über den schlafenden Engel, dann schritt er schnell hinaus, und ging trotzig vorwärts gegen die Haide.
    So ziehe mit Gott, du unschuldiger Mensch, und bringe nur das Kleinod wieder, was du so leichtsinnig fortträgst!
    Als er an den Roßberg gekommen, ging die Sonne auf, und schaute in zwei treuherzige, zuversichtliche, aber rothgeweinte Augen. Am Haidehause spiegelte sie sich in den Fenstern, und an der Sense des Vaters, der mähen ging.
     

3. Das Haidedorf.
     
    Des ersten Abends war es öde und verlassen, und den beiden Eltern that das Herz weh, als sie in der Dämmerung des Sommers zu Bette gingen, und auf seine leere Schlafstelle sahen. Um denselben Menschen, der vielleicht eben jetzt noch auf dürrer Heerstraße wanderte, und von Keinem beachtet, ja von den Meisten
ver
achtet wurde,
brachen
fast zwei naturrohe Herzen im entlegenen Haidehause, daß sie ihn von nun an, vielleicht auf immer, entbehren sollten; aber sie drückten den Schmerz in sich, und jedes trug ihn einsam, weil es zu schamhaft und unbeholfen war, sich zu äußern.
    Aber es kam ein zweiter Tag, und ein dritter, und ein vierter, und jeder spannte denselben glänzenden Himmelsbogen über die Haide, und funkelte nieder auf die Fenster und das altergraue Dach des Hauses eben so freundlich und lieblich, wie als er noch da gewesen war.
    Und dann kamen wieder Tage und wieder.
    Die Arbeit und Freude des Landmanns, durch Jahrtausende einförmig, und durch Jahrtausende noch unerschöpft, zog auch hier geräuschlos und magisch ein Stück ihrer uralten Kette durch die Hütte, und an jedem ihrer Glieder hing ein Tröpflein Vergessenheit.
    Die Großmutter trug nach wie vor ihren Holzschemel auf die Wiese, und betete daran, und sie und klein Marthe fragten täglich, wann denn Felix komme. Der Vater mähete Roggen und Gerste - die Mutter machte Käse und band Garben - und der fremde Ziegenbube trieb täglich auf die Haide. Von Felix wußte man nichts.
    Die Sonne ging auf, und ging unter, die Haide wurde weiß, und wurde grün, der Holunderbaum und der Apfelbaum blühten vielmal - klein Marthe war groß geworden, und ging mit, um zu heuen und zu ernten, aber sie fragte nicht mehr, - und die Großmutter, ewig und unbegreiflich hinaus lebend, wie ein vom Tode vergessener Mensch, fragte auch nicht mehr, weil er ihr entfallen war, oder sich zu ihren heimlichen Fantasiegestalten gesellt hatte.
    Die Felder des Haidebauers besserten sich nachgerade, als ob der Himmel seine Einsamkeit segnen und ihm vergelten wollte, und es wurde ihm so gut, daß er schon manchen Getreidesack aufladen, und mit schönen Ochsen fortführen konnte, wofür er dann einige Thaler Geldes, und Neuigkeiten von der Welt draußen heimbrachte. Einmal kam auch ein Schreinergeselle mit seinem Wanderpacke zu Vater Niklas, dem Haidebauer, und brachte einen Gruß und einen Brief von Felix, und sagte, daß derselbe in der großen, weit entfernten Hauptstadt ein schmucker, fleißiger Student sei, daß ihn Alles liebe, und daß er gar eines Tages Kaplan in der großen Domkirche werden könnte. Der Schreinergeselle wurde über Nacht im Haidehause gut gehalten, und ließ eitel Freude zurück, als er des andern Tages in entgegengesetzter Richtung von dannen zog. So kam es, daß jedes Jahr ein- oder zweimal ein Wandersmann den Umweg über die Haide machte, dem schönen, freundlichen, handsamen Jünglinge zu Liebe, der gern einen Gruß an sein liebes Mütterchen schicken wollte. Ja sogar einesmals kam Einer geschritten, und conterfeite das Häuschen sammt dem Brunnen und Flieder und Apfelbaume.
    Auch andere Veränderungen begannen auf der Haide. Es kamen einmal viele Herren und vermaßen ein Stück Haideland, das seit Menschengedenken keines Herrn Eigenthum gewesen war, und es kam ein alter Bauersmann, und zimmerte mit vielen Söhnen und Leuten ein Haus darauf, und fing an, den vermessenen Fleck urbar zu machen. Er hatte fremdes Korn gebracht, das auf dem Haideboden gut anschlug, und im nächsten Jahre wogte ein grüner Aehrenwald zunächst an Vater Niklas Besitzungen, wo noch im vorigen Frühlinge nur Schlehen und Liebfrauenschuh geblüht hatten. Der alte Bauer war ein freundlicher Mann, ein Mann vieler Kenntnisse, und theilte gerne seinen Rath und sein Wissen und seine Hülfe an die frühern Haidebewohner, und hielt gute Nachbarschaft mit Vater Niklas. Sie fuhren nun Beide gar in die Stadt, verkauften dort ihr Getreide weit besser, und am Getreidemarkt im goldenen Rosse waren die Haidebauern wohlgekannt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher