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Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)

Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
Autoren: Renée Holler
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immer noch auf Molls Schulter, interessierte sich nicht für das Schauspiel. Zwar hatte er es inzwischen aufgegeben, die Rauchringe zu fangen, doch nun knabberte er stattdessen liebevoll an Molls Ohrläppchen.
    »Na los, mach schon!«, forderte Moll Jack auf. »Wir haben nicht ewig Zeit.«
    Eine Bodendiele knarrte, doch ansonsten war es mucksmäuschenstill. Jack stand inzwischen vor dem Strohmann. Er hatte oft genug an James geübt, um es zur reinen Routine zu machen. Doch heute tauchte immer wieder Ned vor seinen Augen auf und er hörte deutlich die Stimme seiner Mutter.
    »Pass gut auf den Kleinen auf«, war das Letzte, was sie zu ihm gesagt hatte. Doch wenn Jack nicht wollte, dass Moll sich über ihn lustig machte oder ihn gar bestrafte, musste er sich jetzt unbedingt konzentrieren. Automatisch schob er seine Hand zwischen Mantel und Wams des Strohmanns, um nach dessen Gürtel zu tasten. Er wusste, dass dort ein Beutel hing, der mit Münzen gefüllt war. Jacks Aufgabe war es, die Geldstücke zu stehlen, ohne dass James ein Geräusch von sich gab. Doch seine Hand, gewöhnlich geschickt wie keine andere, begann zu zittern. Unzählige Glöckchen, die an der Kleidung der Puppe festgenäht waren, begannen Alarm zu läuten. Nur Diebe mit Fingerspitzengefühl konnten unbemerkt entkommen. Jack war es heute zum ersten Mal seit langer Zeit nicht gelungen, den Strohmann auszutricksen.
    Moll schüttelte ungläubig den Kopf. Orlando sprang mit einem riesigen Satz auf den Kopf des Strohmanns, wo er lautkreischend hin und her schaukelte, während die Glöckchen ein wildes Konzert veranstalteten.
    »Was ist nur los mit dir?«, versuchte Moll den Lärm zu übertönen.
    »Ich ... ich ...«, stammelte der Junge, doch er kam nicht dazu, ihr den Grund für seine Ungeschicklichkeit zu erklären.
    »Er denkt, dass Ned was Schlimmes passiert ist«, kam ihm Eliza, die jüngste der Bande, zuvor.
    »Ned? Was soll dem schon passiert sein? Den Bengel haben sie nur geschnappt, weil er sicher mal wieder mit offenen Augen geträumt hat, statt sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Und jetzt sitzt er halt seine Zeit in Bridewell ab.« Sie musterte Jack streng. »Wenn du dich nicht in Acht nimmst, wird dir das Gleiche passieren. Sollte euch allen ’ne Lehre sein.« Sie zog an ihrer Pfeife. Dann hockte sie sich auf den Hocker, der neben dem Dachbalken stand. »Bring mir ’n Bier«, wandte sie sich an Maggie.
    Maggie sprang folgsam auf, klemmte sich die langen blonden Haare hinters Ohr und kletterte die Stiegen hinab. Die Küche lag im Parterre neben dem Laden, doch schon kurz darauf kehrte sie mit einem Zinnkrug voller Bier zurück. Moll hob den Krug und trank einen Schluck. Zufrieden rieb sie sich mit dem Ärmel über den Mund.
    »Ich hoffe, dass ihr euch morgen alle ordentlich ins Zeug legt«, fuhr sie fort. »Der Jahrmarkt fängt an. Da müsst ihr gut in Form sein. Ich brauch euch und kann’s nicht riskieren, euch wie Ned und Guy zu verlieren.«
    Natürlich, der Jahrmarkt! Jack hatte ihn völlig vergessen. Er fand jedes Jahr Anfang September im Stadtteil Southwark südlich der Themse statt und dauerte zwei Wochen. Es gabdort Schaubuden, in denen die erstaunlichsten Kuriositäten zu bewundern waren: Schlangenmenschen, Riesen, Zwerge, Schafe mit zwei Köpfen, sprechende Esel, tanzende Bären, Seiltänzer, Jongleure, Zauberkünstler und vieles mehr. Gleichzeitig war der Markt ein Paradies für Taschendiebe. Bauern, fremd in der Großstadt, die aus den umliegenden Dörfern anreisten, waren leichte Beute. Allerdings war sich auch die Polizei dessen bewusst und es würde auf dem Jahrmarkt von Wachtmeistern nur so wimmeln.
    »Na, ich mach dann jetzt Feierabend«. Moll packte Orlando, der immer noch auf James herumturnte, und setzte den Affen zurück auf ihre Schulter. »Komm, mein Süßer, wir gehen den restlichen Abend in die Schenke.« Dann wandte sie sich an Maggie. »Schließ den Laden hinter mir ab. Ich nehme ’n Zweitschlüssel mit für später.« Sie ließ den Blick über ihre Zöglinge schweifen. »Morgen ist ’n wichtiger Tag. Da muss alles wie am Schnürchen laufen. Wechselt euch vor dem Schlafengehen an James ab. Übung macht den Meister. « Dann verschwand sie mit Orlando durch die Klappe im Boden.
    Viel später, nachdem die Kerzen längst ausgeblasen waren, lag Jack schlaflos auf dem Strohsack, den er gewöhnlich mit Ned teilte. Er wälzte sich von einer Seite auf die andere. Es war schwül, die Luft stand schwer im Raum, auch wenn
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