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Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2

Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2

Titel: Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2
Autoren: Arena
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aus Miltons Verlorenem Paradies herauszuholen, was nur ging. Aber sie, die Musterschülerin Rose, der Traum eines jeden Dozenten, hatte den Schwung verloren.
    Wieder sah sie auf und ihre Blicke folgten Mrs Hill, die nun schon seit über zwei Stunden im Raum auf und ab ging. Sie erinnerte Rose an einen Hamster in seinem Laufrad. Auch weil ihr Haar dieselbe Farbe hatte wie ein Hamster . Hellbraun und mit diesen Strähnchen, die wie Leuchtbänder schimmern. Sie trug einen braunen Hosenanzug, der ihr ganz offensichtlich zu eng war, genauso wie die Bluse. Mit jeder Bewegung spannte sie und man konnte ihren BH darunter erkennen, der aus dem letzten Jahrhundert stammte. Mindestens. Vielleicht sogar aus John Miltons Jahrhundert.
    Mit jedem Schritt klackten die hochhackigen Stiefel. Das Geräusch machte Rose verrückt. Sie spürte, wie sie anfing zu schwitzen.
    Warum musste es in dem Raum auch so stickig sein? Man heizte ihnen so richtig ein. Nicht nur mit den Prüfungsfragen.
    Inwiefern kann man den Gedichtzyklus als symphonische Dichtung bezeichnen?
    Warum haben Miltons Bilder die englische Dichtung der Romantik geprägt?
    Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, erhob sich Katie, ging zum Fenster und riss es sperrangelweit auf.
    »Ich habe Ihnen nicht erlaubt aufzustehen, Miss West.« Mrs Hill sprach nicht laut, aber ihre Stimme war schneidend.
    »Ich habe nicht die Absicht, an Sauerstoffmangel zu sterben«, erklärte Katie und rollte mit den Augen, als sie die Hände in den Hosentaschen an Rose vorbeiging.
    »Sie hätten mich fragen können.«
    »Sie hätten Nein sagen können.« Katie schob sich auf ihren Stuhl, nahm den Füller in die Hand und schrieb unbeirrt weiter.
    Rose beneidete sie. Julia und alle anderen schienen eine unheimliche Verbindung zu dem Papier eingegangen zu sein, das vor ihnen lag und den Stempel des Colleges trug. Nur Debbie starrte wie sie selbst zum Fenster hinaus, als warte sie auf eine göttliche Eingebung oder dass der Heilige Geist auf sie herunterschwebte. Wenn der bei diesem Nebel überhaupt durchkam.
    Nebel gab es im Tal selten. Es lag so weit oben, dass er sich nicht lange hielt, sondern schnell wieder in die Höhe stieg oder nach unten fiel. Doch heute hatte er sich fest eingenistet. Rose vermisste die Aussicht auf den See und den Ghost. Sie hatte das sichere Gefühl, dass ein Blick auf den Berg ihren Gedanken den Schwung geben würde, den sie so dringend brauchte.
    Als Mrs Hill erneut an ihrem Tisch vorbeiging und einen Blick auf ihr Blatt warf, bemühte sich Rose, so auszusehen, als sei sie sicher, was sie schrieb. Sie erwiderte das Lächeln der Englischdozentin, die offenbar große Hoffnung in ihre Lieblingsschülerin setzte.
    Aber genauso hätte sie Rose auffordern können, zwanzig Marshmallows hintereinander zu essen. Schwerer könnten die ihr auch nicht im Magen liegen.
    Ich muss mich konzentrieren. Jetzt. Sofort. Ihr Blick fiel auf den letzten Satz in ihrem Essay. Er kam ihr fremd vor, als hätte nicht sie ihn mit ihrer klaren, links geneigten Schrift geschrieben. Widerstand und Protest machte sich in ihr breit. Und ohne weiter nachzudenken, schrieb sie: Ich halte John Milton nicht für einen der größten englischen Dichter. Obwohl er an der Seite von Oliver Cromwell kämpfte und seine Schriften verboten waren, heißt das nicht, dass er die Welt mit seinen Gedanken weitergebracht hat. Er war Puritaner und seine Ansichten sind im einundzwanzigsten Jahrhundert veraltet.
    Professor Hill, die wieder vorne an der Tafel angekommen war, verkündete in diesem Moment energisch, den Blick fest auf ihre Armbanduhr gerichtet: »Noch fünfzehn Minuten.«
    »Brutto oder netto?«, fragte irgendjemand in einer der hinteren Reihen und die meisten brachen in ein fast schon hysterisches Lachen aus. Nicht weil diese Bemerkung wirklich witzig war, sondern weil alle unter extremer Anspannung litten. Rose wunderte sich, dass noch keiner durchgedreht war.
    Eine Sekunde später senkten sich die Köpfe wieder und die Füllfederhalter, die zwingend vorgeschrieben waren – wie auch die blaue Tinte –, kratzten einstimmig über das Papier.
    Rose strich den letzten Satz durch, und zwar so dick, dass Professor Hill ihn garantiert nicht entziffern konnte. Dann begann sie von Neuem.
    Ich halte John Milton für einen der größten englischen Dichter.
    Seltsamerweise gelang es ihr tatsächlich, sich in diesen letzten Minuten noch einmal richtig in ihren Essay zu vertiefen. Und es fiel ihr plötzlich nicht mehr
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