Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes

Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes

Titel: Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
Autoren: David Eddings
Vom Netzwerk:
Geographie einer Geschichte ist von eminenter Bedeutung.
    Einer der Punkte, auf den Horaz in seiner ›Ars Poetica‹ großen Wert legt, ist, daß ein Epos (oder ein Drama) in medias res beginnen müsse (mitten in der Geschichte). Übersetzung: ›Fang mit einem Paukenschlag an, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.‹ FantasyAutoren neigen dazu, Großvater Horaz' Rat in den Wind zu schlagen und statt dessen die Vorgehensweise des Bildungsromans zu wählen. Der Begriff bezeichnet die spezifisch deutsche Variante des Entwicklungsromans und impliziert sowohl eine harmonische Ausbildung und Entfaltung der Persönlichkeit des Protagonisten als auch das Konzept der Bildung, wie es im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert vorherrschte. (Man beachte auch, daß der deutsche Terminus des ›Romans‹ sowie die meisten anderen europäischen Sprachen, anders als das englische ›novel‹, noch vom Wort her auf die märchenhaften, eben ›romantischen‹ Aspekte der mittelalterlichen Ritterepen verweist.) Der Fokus auf das ›Heranwachsen‹ eines Helden ist eine außerordentlich praktische Vorgehensweise für einen Fantasy-Autoren, da all unsere Erfindungen unserem Simpliccisimus von einem Helden erklärt werden müssen, und das ist die einfachste Form der Exposition. Einige von Ihnen mögen bemerkt haben, daß wir Horaz' Ratschlag im ›Elenium/Tamuli‹ tatsächlich befolgt haben. Dieses Epos ging in medias res los, und es schien genauso gut zu funktionieren. Wie wäre es mit einem kleinen Test? Versuchen Sie es mit ›Erläutern Sie die theologischen Unterschiede zwischen Eriond und Aphrael‹.
    Um den ›Donnerwetter! Das ist ja ein Ding!‹-Kram zu vermeiden, der die Fantasy vergiftet, sollte der Fantasy-Autor seinen Leser mit Realismus pur eindecken. Mieten Sie sich ein oder zwei Tage ein Pferd, damit Sie wissen, wie sich das anfühlt. Einen Wolf reitet man sich auf beiden Sattelseiten. Gehen Sie zu einem Bogenschießstand und schießen Sie ein paar Hundert Pfeile ab. Versuchen Sie es ein paarmal ohne Armschutz. Die Bogensehne wird an der Innenseite Ihres linken Unterarms einem Salamimesser vergleichbare Spuren hinterlassen, und die Fingerspitzen Ihrer rechten Hand werden von Blasen übersät sein. Nehmen Sie ein Breitschwert in die Hand und schwingen Sie es zehn Minuten lang, und Ihre Arme werden sich anfühlen, als würden sie gleich abfallen. Diese Dinger wurden zu dem Zweck geschmiedet, Stahl zu durchschneiden. Sie sind sehr schwer. Machen Sie eine Wanderung. Gehen Sie bei Tagesanbruch los und schreiten Sie kräftig aus. Markieren Sie die Stelle, die Sie bei Sonnenuntergang erreicht haben. Dann messen Sie die Entfernung. Das ist die Entfernung, die ihre Figuren an einem Tag zurücklegen können. Ich habe zwanzig Meilen genommen, aber ich habe auch lange Beine. Bitten Sie einen Freund, sich einen Monat lang nicht zu baden. Dann schnüffeln Sie an ihm. (Puh!) Wenn Sie Dialoge schreiben, lesen Sie sie laut vor – vorzugsweise jemand anderem. Fragen Sie ihr Gegenüber, ob es sich so anhört, wie richtige Menschen reden. Das gesprochene Wort unterscheidet sich vom geschriebenen Wort. Versuchen Sie diesen Unterschied zu verringern.
    Als nächstes lernen Sie, wie man Zeit elegant verdichtet. Sie können nicht jeden Atemzug ihres Protagonisten kolportieren. ›Sieben Tage später begann es zu schneien‹ ist gut. Es kürzt die Zeitspanne ab und liefert gleichzeitig einen knappen Wetterbericht. ›Im nächsten Frühjahr‹ ist auch nicht übel. ›Zehn Jahre später‹ geht in Ordnung, falls Sie nicht gerade mitten in etwas Wichtigem stecken. ›Mehrere Generationen später‹ oder ›Um die Mitte des darauffolgenden Jahrhunderts‹ überspringen hingegen ganz schön große Zeitspannen.
    Ich habe ein persönliches Maßsystem entwickelt, das ich ›auktoriale Distanz‹ nenne. Mit seiner Hilfe beschreibe ich den Abstand, den ich zu dem Erzählten einnehme. ›Große Distanz‹ ist, wenn ich das literarische Geschehen aus einigen Metern Entfernung beobachte. ›Nachdem Charlie aus dem Gefängnis entlassen wurde, zog er nach Chicago und ging zur Mafia‹ deutet darauf hin, daß ich nicht gerade in Charlies Jackentasche sitze. ›Mittlere Distanz‹ ist – offensichtlich – näher dran. ›Die Tore des Sing-Sing-Gefängnisses schlossen sich hinter Charlie, und eine Woge des Hochgefühls durchströmte ihn. Er war frei!‹ Das ist ziemlich ›medium‹, meinen Sie nicht auch? Die letzte Erzählhaltung nenne ich ›mitten drin‹.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher